Zum Gedenken an den Genozid an den europäischen Roma

Keine Sondergesetze, sondern humanitäres Bleiberecht         

PRESSEMITTEILUNG, 31.07.15 / Anlässlich des internationalen Gedenktages zum Genozid an den Roma am 2. August erklärt Annette Groth, menschenrechtspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE: „Insgesamt ermordeten Deutsche und ihre Verbündeten 500.000 Roma in der Zeit des Nationalsozialismus. Zehntausende von ihnen wurden in den besetzten Gebieten Osteuropas durch Massenerschießungen hingerichtet, tausende Roma wurden in den deutschen Konzentrationslagern ermordet. Nur etwa 4000 bis 5000 Roma überlebten die Konzentrationslager.

Viele Nachkommen der Überlebenden leben heute in Südosteuropa und sind dort wieder allgegenwärtigem Rassismus, Diskriminierung und massiver Bedrohung ausgesetzt. Sie unterliegen einem permanenten Vertreibungsdruck – auch durch staatliche Institutionen. Es sind diese existenzbedrohenden Zustände, die vor allem Roma zur Flucht nach Mitteleuropa zwingen.

In Deutschland angekommen, erfahren sie den ‚neuen‘ deutschen Rassismus:  Sie werden von Opfern zu Tätern, zu schmarotzenden ‚schlechten‘ Wirtschaftsflüchtlingen, die den ‚guten‘ (Bürgerkriegs-) Flüchtlingen die Plätze wegnehmen und die Aufnahmebereitschaft der Deutschen gefährden.

Eine große Koalition vom CDU-Bundesinnenminister bis hin zum grünen Ministerpräsidenten Baden- Württembergs hat mit der Ausdehnung der sogenannten ‚Sicheren Herkunftsländer‘ auf die Westbalkanstaaten den Grundstein für die weitere Diskriminierung und Ausgrenzung der Roma gelegt. Mit dem Asyl-Schnellverfahren, das in besonderen Aufnahmezentren durchgepeitscht werden soll und den neugeschaffenen strafrechtlichen Möglichkeiten zur Abschiebung erreicht die Diskriminierung der Roma eine neue Dimension.“

Besonders die Rolle der Landesregierung Baden-Württembergs bei diesen Verschärfungen kritisiert die Abgeordnete, die den Wahlkreis Bodensee in Berlin vertritt:

„Ende des Jahres 2013 hat der Landtag den Staatsvertrag mit dem Verband Deutscher Sinti und Roma einstimmig gebilligt. Ministerpräsident Kretschmann und Vertreter_Innen aller Fraktionen betonten damals einhellig, dass Sinti und Roma als ethnische Minderheit anerkannt seien und dass deren Schutz ‚Teil unserer Rechts- und Werteordnung‘ sei. Heute, nicht einmal zwei Jahre danach, ist das vergessen und soll vor allem keine Anwendung auf Roma finden, die in Baden-Württemberg gerade diesen Schutz suchen.“

Annette Groth fordert zum Umdenken auf: „Der Staatvertrag war ein Schritt in die richtige Richtung. Die andauernde Ausgrenzung und Diskriminierung von schutzsuchenden Roma widerspricht dem Anliegen des Vertrags und fördert den ‚alten‘ und ‚neuen‘ Antiziganismus. Die Landesregierung muss endlich umdenken: Ein dauerhaftes Bleiberecht aus humanitären Gründen für Roma aus den Balkanstaaten kann auch sie für Baden-Württemberg erlassen. Das ist nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, sondern auch die richtige Konsequenz aus der historischen Verantwortung gegenüber den europäischen Sinti und Roma.“

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  • Annette Groth, MdB
  • DIE LINKE im Bundestag