Fragwürdiger Umgang der Landesregierung mit der institutionellen Gewalt in der Abschiebehaft in Pforzheim

Petition nach 15 Monaten noch immer nicht behandelt!

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Am 11. Mai 2019 wurde vor dem Abschiebegefängnis in Pforzheim, während den bundesweiten Aktionstage „100 Jahre Abschiebehaft sind genug“ demonstriert. Ein Inhaftierter sprach per Telefon zur Kundgebung. „Infolgedessen kam es zu einem massiven Polizeieinsatz in der Haftanstalt. Inhaftierte berichten, dass sie aus ihren Zellen herauskommen und sich an der Wand aufstellen mussten, und dass ihnen dann Handschellen angelegt wurden. Anschließend seien sie in ihren Zellen eingeschlossen worden und hätten an diesem Tag nichts mehr zu Essen bekommen. Einige der Betroffenen seien fünf Tage in Einzelhaft gewesen. Sie durften dabei nicht duschen oder ihre Kleidung wechseln. Einem Betroffenen sei es nicht erlaubt gewesen, einen Arzttermin wahrzunehmen. Bei einer ersten Demonstration vor zwei Jahren war uns von ähnlichen Repressalien berichtet worden.“ so der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg in einer Stellungnahme am 17.05.2019.

Am 27. Mai 2019 wurde beim Petitionsausschuss des Stuttgarter Landtages von 29 Gruppen/Organisationen und 841 Einzelpersonen eine Petition zur Aufklärung der Gewalt in der Abschiebehaft Pforzheim eingegeben. Gefordert wurde eine sofortige Untersuchung der polizeilichen Übergriffe, der nachfolgenden Sanktionen gegen inhaftierte Geflüchtete, eine unabhängige Anhörung und die Aussetzung der Abschiebungen von Betroffenen, die zur Klärung der Vorfälle beitragen können. Später wurde die Petition durch die Punkte Dublin-Gefangene, Traumatisierung/besondere Schutzbedürftigkeit, Unzulässigkeit der Haft, Telefon/Internetanschluss und Taschengeld ergänzt.

Immer wieder gab es nach dem Mai 2019 Berichte über Gewalt in der Abschiebehaft. So schreibt die Heilbronner Stimme am 17. Februar 2020, dass in der Abschiebehaft einiges „Außer Kontrolle“ sei. Ein Geflüchteter aus Kamerun berichtet über polizeilicher Gewalt bei der Abschiebung. Er wurde verletzt wieder nach Pforzheim zurückgebracht, konnte drei Tage nicht laufen und hatte keinen Appetit. Erst nach zwei Wochen wurde er in einem Krankenhaus untersucht. Im April 2020 traten Gefangene aus Hessen, die in Pforzheim inhaftiert wurden in den Hungerstreik und wandten sich wegen den Haftbedingungen ebenfalls mit einer Petition an den Landtag von Hessen und Baden-Württemberg.

15 Monate nach der Eingabe der Petition gibt es noch immer keine Nachricht aus Stuttgart. In einem aktuellen Brief an den Ausschuss werden nun verwaltungsrechtliche Schritte angedroht.

Einige Zahlen:

  • Abschiebehaft in Pforzheim existiert seit dem 1. April 2016.
  • Bis 2018 wurden mehr als 1.200 Personen aus der Abschiebehaft abgeschoben.
  • Etwa 25 Prozent der Inhaftierten wurden wieder entlassen. 2018 = 72 Personen, 217 =98 Personen
  • Kosten pro Tag, das den Betroffenen in Rechnung gestellt wird, sind gleich 315,12 €.
  • Die durchschnittliche Verweildauer hat sich seit dem 1. April 2016 wie folgt entwickelt: 2016 = 19,9 Tage, 2017 = 26,25 Tage, 2018 = 33,87 Tage, 2019 (1. Quartal) = 37,16 Tage.
  • Insgesamt waren Personen aus 58 verschiedenen Ländern inhaftiert.
  • Aus Baden-Württemberg wurden 2016 = 3638, 2017 = 3450, 2018 = 3018, 2019 = 2648 abgeschoben.
  • Wer gegen die Abschiebehaft protestiert muss mit der „Anwendung unmittelbaren Zwangs“ rechnen, wenn das „geordnete Zusammenleben in der Einrichtung beeinträchtigt“ wird. Personen können auch in einem „besonders gesicherten Raum“ mehr als 24 Stunden festgehalten werden. Auch eine „Fixierung von Personen“ ist möglich. Die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum  wurde laut IM Baden-Württemberg in Pforzheim 2017=13 mal, 2018=9 mal und bis 09/2019=12 mal angewandt.