Erneuter rechtswidriger Abschiebungsversuch einer serbischen Roma-Familie aus Nagold

Herzlose Härte

Pressemitteilung 26.02.2018 – Flüchtlingsrat Baden-Württemberg | Vergangene Woche hat der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg über den rechtswidrigen Abschiebungsversuch einer serbischen Roma-Familie aus Nagold berichtet. Nun hat es in der Nacht zum Montag einen weiteren Versuch der Behörden gegeben, die Familie abzuholen.

Nach dem Abschiebungsversuch vergangene Woche hatte der Rechtsanwalt der Familie umgehend ein Schreiben an das Regierungspräsidium Karlsruhe gerichtet, auf die Rechtswidrigkeit der Aktion hingewiesen und aktuelle Atteste vorgelegt – der Vater der Familie musste nach der versuchten Abschiebung erneut in die Psychiatrie eingeliefert werden. Seit dem Wochenende liegt er auf der Intensivstation.

Als das Regierungspräsidium mit Verweis auf die Abwesenheit der zuständigen Sachbearbeiterin vorerst keine Stellung nehmen wollte, vertrauten die Familie und ihre Unterstützer*innen darauf, dass es zumindest solange nicht zu einem weiteren Abschiebungsversuch kommen würde, bis die Sachbearbeiterin zurückgekehrt sei und auf Eingaben des Anwalts reagiert habe. Dieser Glaube erwies sich allerdings als verfehlt.

Die Art und Weise, wie diese Familie, die sich ohnehin in einer absoluten Extremsituation befindet, gezielt ins Visier genommen und mit rechtswidrigen Maßnahmen regelrecht terrorisiert wird, ist an niederträchtiger Menschenfeindlichkeit kaum zu überbieten. Den Behörden ist scheinbar jedes Mittel Recht – selbst eine kurze Gnadenfrist von ein paar Tagen, um die Sachlage zu klären, ist offenbar zu viel verlangt. Wir fordern das Regierungspräsidium Karlsruhe auf, endlich zu einem rechtskonformen Umgang mit dieser Familie überzugehen und das offenkundig bestehende Abschiebungshindernis – wer auf der Intensivstation liegt, kann doch nicht als reisefähig gelten – anzuerkennen“, so Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg.

Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass das Regierungspräsidium bereits im November eine Stellungnahme zur Reisefähigkeit des Vaters der Familie angefordert hat – ohne ihn oder seinen Anwalt zu informieren. So hatten diese keine Gelegenheit, zur angeblichen Reisefähigkeit Stellung zu nehmen oder neue Atteste vorzulegen.

Es gibt einen weit verbreiteten Irrglauben, dass es kinderleicht sei, sich mit fadenscheinigen Gründen ein gesundheitsbedingtes Abschiebungshindernis bescheinigen zu lassen. Teile der Medien – erst vor wenigen Wochen die Badischen Neuesten Nachrichten – holen diese abgestandene alte Verschwörungstheorie mit verlässlicher Regelmäßigkeit durch tendenziöse Berichterstattung immer wieder aus der Mottenkiste und befeuern somit die Stimmungsmache, die wiederum dazu führt, dass die Politik auf Grundlage dieses Irrglaubens die Gesetze umschreibt. Wir sehen anhand dieses Falles, wie es in Sachen Attestierung von Reiseunfähigkeit tatsächlich abläuft. Wenn die Praxis in diesem Fall Schule macht, sind die letzten Überbleibsel des Abschiebungsschutzes für Schwerkranke weg, weil sie jederzeit damit rechnen müssen, dass die Behörden hinter ihrem Rücken Atteste anfordern, die eine Abschiebung legitimieren“, so Seán McGinley abschließend.

Hintergrund:

PM zum ersten Abschiebungsversuch (21.2.)
http://fluechtlingsrat-bw.de/informationen-ansicht/bis-an-die-grenzen-des-rechtsstaats-und-darueber-hinaus.html

Interview mit der Mutter der Familie bei Radio Dreyeckland
https://rdl.de/beitrag/drei-suizidversuche-trotzdem-versuchte-abschiebung