Verwaltungsgericht Freiburg führt Entrechtung von Geflüchteten fort

Seit über 3 Jahren gerichtliches Ping-Pong ohne inhaltliche Prüfung

Freiburg, 19. Januar 2024

Redebeitrag | Flyer | SWR | Radio Dreyeckland | twitter GFF | Badische Zeitung | Heute hat das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage von ehemaligen Bewohnern gegen die Hausordnung der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) Freiburg abgelehnt. Da die Kläger nicht mehr im Lager leben, hätten sie auch kein Rechtsschutzinteresse mehr. Damit hebelt das Verwaltungsgericht den effektiven Rechtsschutz von Geflüchteten aus.

Seit über 3 Jahren gerichtliches Ping-Pong ohne inhaltliche Prüfung

Das Gericht argumentiert, dass Geflüchtete noch während ihres Aufenthalts in der LEA ein Urteil erstreiten könnten. Die meisten Geflüchteten werden aber nach wenigen Monaten aus der LEA verlegt. Hingegen brauchen Verwaltungsgerichte in Baden-Württemberg durchschnittlich fast zwei Jahre bis zu einem Urteil. Das aktuelle Verfahren vor dem Verwaltungsgericht dauerte zweieinhalb Jahre.

Bild GFF – Twitter
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Auch die parallel geführten Verfahren zeigen, dass es faktisch unmöglich ist, eine gerichtliche Überprüfung noch während des Aufenthalts in der LEA zu erlangen. 2020 hatten sechs Geflüchtete vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim gegen die gesamte Hausordnung geklagt – auch im Eilverfahren. Zunächst wurde der Eilantrag wegen fehlender Eilbedürftigkeit abgelehnt. In der Hauptsache gewannen die Geflüchteten dann vor dem VGH, der die in der Hausordnung geregelten Zimmerkontrollen für rechtswidrig erklärte. Die vielen Verbote wiederum sollten die Betroffenen vor dem Verwaltungsgericht Freiburg überprüfen lassen. Das Land Baden-Württemberg ging gegen das Urteil des VGH in Revision. Das Bundesverwaltungsgericht hob daraufhin die Entscheidung des VGH Mannheim im Juni 2023 auf und lehnte die Klage gegen Zimmer- und Eingangskontrollen in der LEA als unzulässig ab. Unter anderem mit dem Hinweis, dass die Hausordnung vor dem Verwaltungsgericht beklagt werden kann. Nun weist das Verwaltungsgericht die Klage gegen die in der Hausordnung enthaltenen Verbote ebenfalls als unzulässig ab. So wird die LEA zu einem rechtsfreien Raum.

LEA Freiburg: Sicher ist nur die Unsicherheit

Mit dem heutigen Urteil weigert sich erneut ein Gericht, über die Rechtmäßigkeit der Hausordnung zu entscheiden. In der Praxis werden die massiven Grundrechtseingriffe in der LEA weitergeführt. Weiterhin können die Bewohner*innen ihre Zimmer nicht abschließen, kein Besuch empfangen und viele Alltagsgegenstände nicht auf das Gelände nehmen. Regelmäßig werden ihre Zimmer in Begleitung der Polizei durchsucht. Die Geflüchteten haben in der LEA keinen Rückzugsort.

Entrechtung stoppen: Eine andere Aufnahmepolitik ist möglich

Gemeinsam mit ProAsyl und der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) planen wir gegen das Urteil Berufung einzulegen. Dazu warten wir die Begründung des Urteils ab. Das gesamte Verfahren verdeutlicht aber schon jetzt, wie schwierig es ist, Selbstverständlichkeiten wie abschließbare Zimmer einzuklagen. Dabei ist die Massenunterbringung keine realpolitische Notwendigkeit. Der Umgang mit ukrainischen Geflüchteten hat gezeigt, dass eine andere Aufnahme möglich ist.  Das haben wir nach der Verhandlung auch auf der Kundgebung mit 100 Teilnehmer*innen deutlich gemacht. Statt Abschottung und Lagerpolitik braucht es eine dezentrale Aufnahme. Wir werden uns weiter gegen die Entrechtung von Geflüchteten einsetzen.

Aktion Bleiberecht Freiburg

Berichterstattung:

SWR: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/suedbaden/lea-hausordnung-am-freiburger-verwaltungsgericht-100.html
RDL: https://rdl.de/beitrag/kein-grundrechtsschutz-f-r-gefl-chtete-erstaufnahmelagern