Die rassistische Kontinuität ist ungebrochen.

Gegen jede Form von Ausgrenzung und Rassismus!

Dieser Beitrag ist im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus 2022 im Erzählcafe entstanden. Zu Wichtig um die Erfahrungen nur einmal zu erzählen.

Vor 30 Jahren gab es teilweise tödliche rassistische Anschläge in Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Mannheim-Schönau, in Südbaden und weiteren Regionen.

Offener Rassismus (und rechte Gewalt) sind in der BRD kein Phänomen der Nachwendezeit. Insbesondere rassistische Menschenfeindlichkeit nach 1945 lässt sich zum NS und dessen Vorläufer zurück verfolgen, und sie bildet eine Kontinuität, die sich durch die gesamte Geschichte der Nachkriegsrepublik bis heute zieht. Wenig beachtet ist dabei das rechte Treiben im Südwesten der Republik.

Im Jahr 1955 hat die BRD erstmals nach der Zerschlagung des deutschen Faschismus italienische Arbeitskräfte angeworben. Zwischen dem Einsatz von Zwangsarbeiter*innen, die mitten in den Alltag der deutschen Bevölkerung hinein deportiert wurden und der Anwerbvereinbarung mit Italien lagen nur 10 Jahre. 1944 arbeiteten 7,7 Millionen ausländische Zwangsarbeiter*innen im Deutschen Reich. Eine Aufarbeitung fand bis dahin nicht statt. So waren in den 50er/60er Jahre rassistische Anfeindungen gegen italienischen Arbeitskräfte kein Zufall. So waren italienischen Migrant*innen Kneipen und Restaurants verschlossen.

Im Jahr 1963 wurde die NPD in Hannover gegründet. Ehemalige SA-Führer und NSDAP-Mitglieder organisierten sich neu. Der Chefredakteur des Organs der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber hielt die NPD für die „Hoffnung der Nationalkonservativen“. 1968 zieht die NPD mit fast 10 Prozent in den Stuttgarter Landtag ein und verzichtete 1972 zugunsten der CDU auf eine erneute Kandidatur.

1973 kam es zur ersten Weltwirtschaftskrise (Haushaltsdefizite, Zusammenbruch des Systems fester Wechselkurse, Hinwendung zu einer neomonetaristischen Wirtschaftspolitik, Ölkrise). Die Arbeitslosigkeit stieg und es folgte ein Anwerbestopp von migrantischen Arbeitskräften. Die NPD und ihre Nebenorganisationen hetzten speziell gegen türkische Migrant*innen. Die „Türkenfeindlichkeit“ war allgegenwärtig.

Das Gasthaus brannte nachdem in Triberg gezielt türkische Migrant*innen Drohbriefe erhielten.

Am 26. September 1980 wird ein rechtsterroristischer Anschlag auf das Oktoberfest verübt. 13 Menschen sterben, 221 werden verletzt. Der Attentäter kam aus Donaueschingen. 1981 wurde ein rassistisches Heidelberger Manifest von 15 Professoren, gegen die „Unterwanderung des deutschen Volkes“ veröffentlicht. In den 80er Jahren gab es Drohungen gegen Firmen die Migrant*innen beschäftigen und zahlreiche Brandanschläge in Baden. So u. a. Brandanschläge auf ein türkisches Geschäft 1986 in Heidelberg und 1988 auf eine Gaststätte in Triberg (siehe Bild oben).

Die Zahlen von Geflüchteten nahmen 1979 erstmals zu. Im September 1980 beginnt Baden-Württemberg als erstes Bundesland mit dem Aufbau eines Lagersystems für Geflüchteten mit Arbeitsverbot, Residenzpflicht und abgesenkten (Sach)-Leistungen. Zwischenzeitlich etablieren sich die rassistischen Republikaner. Trotz Warnungen u. a. von Wohlfahrtsverbänden scheitert das Massenlager-Aufnahmesystem in Baden-Württemberg. An die Kommunen werden unvorbereitet Geflüchtete zugeteilt.

Nach dem Scheitern der Sammellagerpolitik von Lothar Späth wurden den Kommunen unvorbereitet Geflüchtete zugewiesen. Dadurch entstanden in zahlreichen Kommunen enorme Spannungen die Rassisten als Legitimation für ihre Anschläge benutzen. Bild:Auszug Drucksache Freiburg Stadt.

Die Republikaner nehmen diese Not für ihre rassistische Hetze. 1987 wird der Iraner Kiomars Javadi in der Filiale Pfannkuch in Tübingen von einem Angestellten vor zahlreichen Menschen in den Schwitzkasten genommen bis er Tod ist. Bei den Landtagswahlen 1988 in BW wählen 8% der Wäherler*innen rassistische Parteien.

Am Samstag den 27.8.1988 fand in Freiburg eine Demonstration gegen rassistische Übergriffe statt. Weitere Demonstrationen folgten.

1990 wurde der jüdische Friedhof in Ihringen geschändet. In Freiburg wurde über einen antifaschistischen Beirat für den Gemeinderat diskutiert. 1991 und 1992 mussten Unterkünfte von Geflüchteten durch Nachtwachen vor Übergriffen geschützt werden. Freiburger Kirchengemeinden beteiligten sich daran.

Anschlag auf ein junges polnisches Paar bei Kenzingen, das auf dem Rückweg ihres Urlaub abseits der Autobahn bei Kenzingen im Auto übernachtete. Sie konnten sich gerade noch rechtzeitig aus dem brennenden Auto retten.

In Waldkirch, Freiburg, Kenzingen, Offenburg, Emmendingen, Gundelfingen und weiteren Orten kommt es zu rassistischen Übergriffen und Anschlägen. Im September 1991 kommt es zu Brandanschlägen auf die Geflüchteten-Unterkünfte in der Bissierstraße und der Hermann-Mitsch-Straße.

Anschlag im Januar 1992 auf eine Flüchtlingsunterkunft in Waldkirch

700 Menschen demonstrierten gegen den Brandanschlag in Waldkirch, bei der eine Person lebensgefährlich verletzt wurde.

Antirassitische Demonstration in Waldkirch nach dem Brandanschlag

Die Polizei zählt 1990 und 1991 über 200 Straftaten gegen Migrant*innen im Regierungsbezirk Freiburg.

Der DGB ruft im Oktober 91 zur Demo gegen Rassismus auf und in Freiburg gründen 350 Anwesende im Karlssaal am 1. Oktober 1991 eine Bürgerinitiative gegen Ausländerfeindlichkeit.

Die rassistischen Republikaner werden 1992 mit 10,9 % in den Landtag von Baden-Württemberg gewählt.

Mit einer 2/3 Mehrheit ändert der Bundestag 1993 den Artikel 16 GG Asylrecht. Auf Regierungsseite wurde hilflos bis verständnisvoll auf den grassierenden Rassismus, Ausschreitungen und Gewalt reagiert. Dem angespannten gesellschaftlichen Klima der Nachwende wurde nicht etwa mit Maßnahmen der Bekämpfung jener menschenfeindlichen Ideologien begegnet, sondern es wurde zum Anlass genommen, eine (bereits von langer Hand geplante) Asylrechtsverschärfung durchzusetzen.

Der sogenannte „Asylkompromiss“ von 1993 kommt einer Abschaffung des Rechts auf Asyl gleich. Die Folge: Eine stärkere Abschottung durch sichere Drittstaaten, sichere Herkunftsländer, Verfahrenseinschränkungen, Leistungseinschränkungen und leichteren Abschiebungen. Die Anschläge reisen nicht ab. 1997 stirbt ein Geflüchteter nach einem Brandanschlag in Friedrichshafen, in Waldkirch gab es eine Bombendrohung gegen eine Veranstaltung zur „Neuen Rechten“ mit der Referentin Franziska Hundseder.

Die Ursache des Brandes wurde nie aufgeklärt. Täter wurden keine gefasst.

Der Gedenkaccount „Kein Vergessen“ @OpferNaziGewalt erinnert an die zahlreichen Todesopfer rechter Gewalt bis heute. In Guben, Hoyerswerda, Rostock, Lübeck, Mölln und viele weiteren Städten wurden Menschen jejagt und ermordet. Erinnern möchten wir an die Opfer der rechtsterroristischen NSU-Morde, die mit dem Thüringischen Heimatschutz 1996 den Anfang hatten und erst im November 2011 durch Selbstenttarnung als solche erkannt wurden. Erinnern möchten wir an die Opfer des Anschlages 2019 in Halle und an die rassistischen Morde 2020 in Hanau. Erinnern wollen wir an alle, die hier nicht aufgeführt sind.

Die AfD BW hat sich 2013 in Karlsruhe/Baden gegründet. 2016 bekam sie bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg 15,1 %. Programmatisch führt die AfD die Politik von NPD, Deutsche Volksunion und Republikaner weiter. Ihr Programm basiert auf einer rassistischen, ausgrenzenden und völkischen Politik.

Diese Politik wurde immer wieder genährt durch das Handeln parlamentarischer Parteien, die immer wieder im Abbau von Grundrechten (Flüchtlingspolitik) und Aberkennung von Aufenthaltsrechten geeignete politische Antworten sahen. Die Beteiligungen an Demonstrationen von Verschwörungsideologien und Coronaverharmloser werden in Baden-Württemberg das rechtsoffene Wählerpotential von bis zu 15 Prozent stabilisieren und wie eine Studie der Universität Osnabrück zeigt auch rassistische Ansichten teilen und mittragen.

Was für die NPD „Deutschland den Deutschen“ war, war für die Republikaner „die zunehmende Überfremdung stoppen“ und für die AfD „wir holen uns unser Land zurück“. Wer in der Politik auf die rassistische Karte setzt, wendet sich gegen Demokratie, Grundrechte und Gerechtigkeit!

Sexismus, Antifeminismus, Homophobie, Rassismus, Gewalt gegen Obdachlose, Behindertenfeindlichkeit, Einschränkung von Grundrechten, Unterbringung von Geflüchteten in antidemokratischen Massenunterkünften darf es in einer Solidarity City Freiburg nicht geben.

Diese Politik müssen wir jetzt zurück drängen!

Die rassistische Kontinuität muss gebrochen werden!