Vortrag – Private Sicherheitsdienste und Sammellager

Private Sicherheitsdienste setzen für den Staat Grundrechtseinschränkungen in Erstaufnahmeeinrichtungen durch.

VORTRAG von Aktion Bleiberecht Freiburg  – 5. Juli 2021 – zum geplanten Sicherheitsdienstleistungsgesetz

Seit 2018 existiert eine Landeserstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Freiburg, seit dem sorgt die Einrichtung für Auseinandersetzungen in der Stadt.

Ich versuche kurz darzustellen, warum es wichtig ist, zu dem beim Bundesinnenministerium (BMI) geplanten Sicherheitsdienstleistungsgesetz eine politische Position zu entwickeln. Ich gehe davon aus, dass mit dem Gesetz der Einsatz von privaten Sicherheitsfirmen, auch in Sammellagern, geregelt werden soll.

Zur rechtlichen Einordnung.
Die Unterbringung von Geflüchteten in Sammellagern unterliegt der überholten Lehre des „besonderen Gewaltverhältnisses“ des Staates. Durch dieses besondere Gewaltverhältnis erlaubt sich der Staat in den Sammellagern die Durchsetzung eines streng reglementierten prekären Leben mit vielen Verboten, das von intensiven Grundrechtseingriffen gegen die Untergebrachten bestimmt ist. Die Erstaufnahmeeinrichtungen/Sammellager sind so konzipiert, dass eine Privatheit weder erlaubt noch möglich sei. So argumentieren das Innenministerium von Baden-Württemberg aber auch das VG-Stuttgart in einem Beschluss vom Januar 2021. Es soll also in einer Erstaufnahmeeinrichtung keine Privatheit entwickelt werden können, da das Konzept der Unterbringung diese grundsätzlich nicht zulässt. Aus diesem Grund sollen beispielsweise die Zimmer der Bewohner*innen nicht durch Art. 13 GG geschützt sein. Geregelt werden die Einschränkungen durch die HAUSORDNUNG.

Entgegen dieser Auffassung kommt ein Rechtsgutachten zu dem Ergebnis, dass durch die gültige HAUSORDNUNG rechtswidrig in die allgemeine Handlungsfreiheit, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und in die Unverletzlichkeit der Wohnung eingegriffen wird. Die Grundrechtsverletzungen sind als besonders intensiv zu werten. Zu einem gleichen Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten zu HO in Sachsen sowie weitere bereits veröffentlichte Publikationen, die sich mit der Thematik auseinandersetzen.

Regelungen in HAUSORDNUNGEN
Die HAUSORDNUNGEN nehmen bei der Durchsetzung eines grundrechteeinschränkenden Aufenthaltes und Lebensbedingungen in Sammellagern eine zentrale Rolle ein. Sie sind offensichtlich für die Bundesländer so etwas wie ein administratives Ersatz-Gesetz. Damit soll ein reibungsloser Verwaltungsablauf garantiert werden. Der reibungslose Verwaltungsablauf in einer Erstaufnahmeeinrichtung hat allerdings anders, als die Grundrechte der Bewohnerinnen und Bewohner, keinen Verfassungsrang.

In den Hausordnungen sind auch die Tätigkeiten der Sicherheitsdienste bestimmt. Deren Tätigkeiten/Einsatz in Sammellagern sind neben den HAUSORDNUNGEN auch in weiteren Zusatzverträgen (z. B. Leistungsbeschreibung, Betreibervertrag) vertraglich festgelegt.

Blick in die Hausordnungen
Ein kurzer Blick in verschiedene aktuell gültige HAUSORDNUNGEN von Erstaufnahmeeinrichtungen/Anker-Zentren in Bezug auf den Einsatz von Sicherheitsdiensten in Sammellagern.

  • Nach den HAUSORDNUNGEN von Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen sind die Sicherheitsdienste für die Durchsetzung der Hausordnung zuständig. „Die Anordnungen des Betreibers der Einrichtung .. und des Sicherheitsdienst müssen befolgt werden.“ (Freiburg). So kontrollieren die Sicherheitsdienste den gesamten Komplex der Einrichtungen, d. h. die Gebäude wie auch das Gelände. Dies geschieht durch Rundgänge. Selbst Flure werden in der Nacht von Angestellten der Sicherheitsdienste überwacht.
  • Weiterhin sind sie für Eingangskontrollen, der Registrierung von An- und Abwesenheit der Bewohner*innen, bei der Durchsetzung von Besuchsverboten, für Taschenkontrollen, Kontrollen auf dem Gelände, Videoüberwachungen, selbst bei „freiwilliger Zustimmung“ von Oberkörperdurchsuchung zuständig. Dabei werden Betroffene in eine fragliche Position gebracht. Wer einer Oberkörperdurchsuchung nicht zustimmt, darf das Gelände nicht betreten. (Muster-Bayern)
  • Den Angestellten der Sicherheitsdienste sind Zimmerbetretungen und Zimmerkontrollen erlaubt, so ist es teilweise in den HO formuliert. „Die Zimmer sind NICHT von Art. 13 Unverletzlichkeit der Wohnung geschützt, da keine abgeschirmte Privatsphäre gewährt wird.“ (Musterhausordnung Sachsen)
  • Auch die Ausgabe von Mahlzeiten zu festgelegten Zeiten wird von Sicherheitsfirmen überwacht(1).
  •  „Zur Durchsetzung von Sanktionen gegen Bewohner*innen durch den Betreiber wird der Wachschutz hinzugezogen“. (Sachsen)
  • Die politische Betätigung jeglicher Art, selbst mündliche Aufrufe, sind verboten.(2)
  •  „Verstöße gegen die Hausordnung werden sanktioniert.(3)
    Soweit einige kurze Auszüge.

Zusammenfassung
Die Sicherheitsfirmen in Erstaufnahmeeinrichtungen/kommunalen Sammellagern, sind von den Betreibern beauftragt die Regeln der HAUSORDNUNG durchzusetzen. Sie sind als private Firmen für einen Einsatz in Sammellagern beauftragt, ohne dass eine Beleihung durch eine gesetzliche Übertragung von Hoheitsbefugnissen stattfindet. Es existiert also keine gesetzliche Grundlage. So sind Angestellte von Sicherheitsfirmen lediglich Verwaltungshelfer. Sicherheitsdienste nehmen jedoch eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung der Erstaufnahmeeinrichtungen und damit bei der Durchsetzung von Grundrechtseinschränkungen gegen die Untergebrachten ein.

Wie sich nach den Hausordnungen vermuten lässt, arbeiten Angestellte von Sicherheitsfirmen an der Grenze von stetigen Grundrechtseingriffen. Sind sind bspw. häufig in eingriffsintensive Maßnahmen wie Taschen- und Zimmerkontrollen involviert oder führen diese selbständig durch. Das wurde uns mehrfach von Geflüchteten verschiedener Einrichtungen bestätigt. (Freiburg, Sigmaringen, Gewalt Felsstraße KA – Anzeige)

Sammellager als Geschäft für Private
Seit 2014 sind zahlreiche private Sicherheitsfirmen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingsunterkünften aktiv. Nach Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des BDSW, war zeitweise jede zehnte private Sicherheitskraft in den Flüchtlingsunterkünften beschäftigt. Der Trend hat sich fortgesetzt: Die Umsätze der Branche liegen derzeit bei knapp zehn Milliarden Euro jährlich. (nd)(4)

Helge Staff (TU Kaiserslautern) schreibt bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik „Private Sicherheit auf dem Vormarsch!: Neue Regeln – Neue Rollen!“ dass eine Sicherung der Unterkünfte ohne die privaten Sicherheitsfirmen alleine durch die Polizeien nie realistisch war und ist.(5)

In einem Eckpunktepapier (6) des BDSW vom August 2019 wird ein eigenständiges Sicherheitsdienstleistungsgesetz gefordert, und damit sollen für einige Tätigkeiten spezifische Rechtsgrundlagen geschaffen werden. Dazu werden explizit auch der „Schutz von Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber oder Flüchtlinge“ genannt. In einem aktuellen Papier des BDSW vom Juni 2021 „Deutschland (noch) sicherer machen“ zur Bundestagswahl 2021 wird dazu nochmals eine „spezialgesetzliche Regelung“ eingefordert.

Der Bundesverband ASW (Allianz für Sicherheit und Wirtschaft) fordert(7) „Für bereits bestehende Tätigkeiten sollen mögliche Beleihungen geprüft werden.“(8)

Mit dem geplanten Gesetz ist zu erwarten, dass der Einsatz von Sicherheitsfirmen in Sammellagern, in einem Gesetzesparagrafen geregelt werden wird. Diese Vermutung bestätigt auch eine Antwort des BMI(9) vom 24.05.20219 nachdem „im neuen Gesetzentwurf die Bewachung(10) von Flüchtlingsunterkünften weiterhin ein höheres Qualifikationsniveau als andere Tätigkeiten erfordern.“

  •  Unsere Forderungen dazu sind:
    Ein Sicherheitsdienstleistungsgesetz darf nicht dazu führen, dass die intensiven Grundrechtseingriffe in Massenlagern für Geflüchtete durch eine Beleihung (Grundrechtseingriffe) durch private Firmen durchgesetzt und stabilisiert werden.
  • Die Politik der intensiven Grundrechtseingriffe in Sammellagern muss beendet werden!
  • Geflüchtete Menschen, auch jene im Asylverfahren/Duldung, haben nach §11 des UN-Sozialpaktes ein Recht auf ein selbstbestimmtes diskriminierungsfreies Wohnen.
  • Erstaufnahmeeinrichtungen / Anker-Zentren müssen geschlossen werden!

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(1) Da keine Taschen, Rucksäcke, Koffer in den Speisesaal mitgebracht werden dürfen und es außerdem verboten ist Essen, Geschirr und Besteck aus dem Essensbereich mitzunehmen.
(2)„Die Ausübung politischer, missionarischer oder ähnlicher Tätigkeiten sowie mündliche Aufrufe, das Verteilen von Flugblättern und Anbringen von Plakaten bzw. Schildern sind auf dem Gelände untersagt.“
(3) gesonderte Unterbringung innerhalb der Einrichtung, Verlegung in eine andere Einrichtung, temporäre oder dauerhafte Zutritts- und Hausverbote sowie Aufforderung zu ordnungsgemäßen Verhalten (z. B. Müllbeseitigung, Zimmerreinigung, Rauchverbot).“

(4) Schutzlos ausgeliefert | nd 02.03.2021

„Vor allem die Einrichtung der Flüchtlingsunterkünfte habe zu einem Schub in der Branche geführt, erklärt Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des BDSW, dem größten Arbeitgeberverband der Branche. »Unser Umsatz ging 2015, 2016 um 40 Prozent nach oben, zeitweise war jede zehnte private Sicherheitskraft in den Flüchtlingsunterkünften beschäftigt.« Der Trend hat sich fortgesetzt: Die Umsätze der Branche liegen derzeit bei knapp zehn Milliarden Euro jährlich.“ https://www.nd-aktuell.de/artikel/1148994.sicherheitsbranche-schutzlos-ausgeliefert.html

(5) Arbeitspapier Sicherheitspolitik, Nr. 21/2017

„Zum anderen kann die sensible Situation der Unterbringung von vielen Menschen aus verschiedenen Kulturräumen auf kleinem Raum und teilweise über einen längeren Zeitraum zu Problemen der Ordnung und Sicherheit innerhalb der Unterkünfte führen. Für beide Probleme griffen sowohl Bundesländer als auch Kommunen primär auf private Sicherheitsdienste zurück. Auch wenn – in einigen Bundesländern – Polizisten regelmäßig in Erstaufnahmeeinrichtungen eingesetzt wurden, geschah dies immer im Zusammenspiel mit privatem Sicherheitspersonal, eine Sicherung der Unterkünfte alleine durch die Polizeien war und ist nicht realistisch, zumal die Ausbildung zusätzlicher Polizisten nur über einen längeren Zeithorizont erfolgen kann.“ https://www.aktionbleiberecht.de/blog/wp-content/uploads/2021/04/arbeitspapier_sicherheitspolitik_2017_21.pdf

(6) http://www.bdsw.de/images/aktuell/2019/DSD_03-2019_Beilage_BDSW_Eckpunktepapier.pdf

(7) „Die Übernahme von Hoheitsrechten ist grundsätzlich auszuschließen, wobei eine Beleihung nur mit einer dafür benötigten besonderen Qualifikation möglich ist. Für bestimmte Einsatztätigkeiten, insbesondere bei gefahrgeneigten Situationen, sollten hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit die zu verwendenden Hilfs- und Einsatzmittel zur Eigensicherung konkretisiert und rechtlich definiert werden, um Rechtssicherheit für die Mitarbeiter zu realisieren. Dies betrifft u.a. den Einsatz von Pfeffersprays oder Bodycams sowie die Möglichkeit des Fesselns.

(8) https://www.asw-bundesverband.de/fileadmin/user_upload/positionspapiere/20_07_22_-_Sicherheitsdienstleistungsgesetz_-_Positionspapier.pdf
(9) Die etwas dürftige Antwort auf unsere Nachfrage beim BMI: „Die Bewachung von Erstaufnahmeeinrichtungen bzw. Anker-Einrichtungen war kein gesondertes Thema. Berührt wurde lediglich das Thema Flüchtlingsunterkünfte im Zusammenhang mit der Frage, ob ein stufenweises Vorgehen in Bezug auf unterschiedliche Branchen empfehlenswert wäre. Ausgangspunkt ist aus Sicht des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat dabei die Grundannahme, dass auch im neuen Gesetzentwurf die Bewachung von Flüchtlingsunterkünften weiterhin ein höheres Qualifikationsniveau als andere Tätigkeiten erfordert.“ https://www.aktionbleiberecht.de/blog/wp-content/uploads/2021/06/Papier-BMI-Antwort-.pdf

(10) §34a GO Bewachungsgewerbe; Verordnungsermächtigung | (5) Der Gewerbetreibende und seine Beschäftigten dürfen bei der Durchführung von Bewachungsaufgaben gegenüber Dritten nur die Rechte, die Jedermann im Falle einer Notwehr, eines Notstandes oder einer Selbsthilfe zustehen, die ihnen vom jeweiligen Auftraggeber vertraglich übertragenen Selbsthilferechte sowie die ihnen gegebenenfalls in Fällen gesetzlicher Übertragung zustehenden Befugnisse eigenverantwortlich ausüben. In den Fällen der Inanspruchnahme dieser Rechte und Befugnisse ist der Grundsatz der Erforderlichkeit zu beachten.