Abschiebehaft Pforzheim: Wir möchten keine Illusionen erzeugen, dass eine Petition politisch etwas verändern könnte.

Die staatliche Gewalt in der Abschiebehaft Pforzheim zeigt den politischen Standort der GRÜN-CDU Landesregierung.

Der Rassismus findet man in Regierungsverantwortung und in ihren grün-schwarzen Löchern in Baden-Württemberg. In Löchern, in die niemand einen Blick werfen soll. Nach Felix Wienecke, Hamburger Abschiebebeobachter am Hamburger Flughafen laufen 16 Prozent der Abschiebungen äußerst brutal ab. Auch in der Abschiebehaft Pforzheim gibt es staatlich legitimierter Gewalt gegen Geflüchtete.

Ein Jahr nach der Eingabe unserer Petition zur Gewalt in der Abschiebehaft haben wir immer noch keine Antwort. Tatsächlich gibt es kein Interesse an einer Aufklärung. So funktioniert Politik in Baden-Württemberg. Gewalt in der Abschiebehaft in Baden-Württemberg ist systemimmanent.

Am 11. Mai 2019 haben wir gegen die Abschiebehaft in Pforzheim demonstriert. Während der Kundgebung vor dem Abschiebegefängnis erzählte ein Geflüchteter per Telefon über seine Situation in der Abschiebehaft. Das Telefonat wurde über eine Lautsprecheranlage an die Versammlung übertragen. Unmittelbar nach dem Telefonat folgte ein Polizeieinsatz in der Abschiebehaft. Es kam zur Gewalt1 im Gefängnis2. Am 26.05.20219 haben wir mit einer Petition3 Aufklärung und eine Stellungnahme von der Landesregierung eingefordert. Wir wollten, dass Beweismittel festgehalten und Zeugen gehört werden. Ein Jahr ist vergangen, bis heute warten wir auf eine Antwort!

Völlig jeder Grundlage entbehrt die Behauptung des Innenministeriums, dass während der Kundgebung vor der Abschiebehafteinrichtung es zur telefonischen Aufforderung kam, dass sich die Geflüchteten in der Abschiebehaft zusammenschließen sollen. Dies wurde scheinbar zur Begründung genommen, „um die Sicherheit und Ordnung in der Abschiebehafteinrichtung zu gewährleisten und die Freizeit der Untergebrachten zu beenden und die Zusammenschlüsse der Untergebrachten aufzulösen.“ Behauptet wird weiter, dass durch die Zusammenschlüsse der Tagesablauf der Einrichtung nachhaltig gestört worden war. In einem Bericht des IM, den wir einblicken konnten, war zu lesen, dass auch andere Untergebrachte beeinträchtigt wurden. Um die Zusammenschlüsse aufzulösen wurden Polizeikräfte zur Unterstützung hinzugezogen. Diese erschienen gegen 11:55 Uhr mit Einsatzkräften. 13 Untergebrachte waren an den Vorfällen beteiligt. Vier gelten als Rädelsführer. Um 12.05 war der Einsatz beendet. Soweit der Bericht des IM Baden-Württemberg.

Vor dem eingangs beschriebenen Vorfall, hatte sich bereits die Arbeitsgruppe Abschiebehaft Pforzheim4 besorgt über die Situation in der Abschiebehafteinrichtung in Pforzheim geäußert und Forderungen formuliert. Eine unabhängige Beratung für alle, eine notwendige psychologische Betreuung5 und mehr Transparenz über sämtliche Vorgänge im Gefängnis waren einige Forderungen.67 Im Oktober 2019 hat das Antirassistische Netzwerk Baden-Württemberg die Eingabe zum Thema Dublin-Gefangene, Traumatisierung/besondere Schutzbedürftigkeit, Unzulässigkeit der Haft, Telefon/Internetanschluss und Taschengeld ergänzt und dazu ebenfalls eine Stellungnahme gefordert.

Ein 56 jähriger physisch und psychisch kranker Mann wird 2018 aus der Abschiebehaft Pforzheim nach Afghanistan abgeschoben, er bricht in Kabul zusammen. Die Behörden verweigern ihm die Einreise und schicken ihn nach Deutschland zurück.8 Zurück in Deutschland kommt er wieder in Abschiebehaft. Ein im September 2018 infhaftierter Geflüchteter, der eine Augenkrankheit hatte, erhält nicht die notwendige medizinische Versorgung. Im Februar 2020 berichtet die Heilbronner Stimme9 darüber, dass die „Insassen über die medizinische Versorgung im Abschiebegefängnis Pforzheim klagen“. Gegen einen 29 jährigen aus Kamerum wurde bei einem Abschiebeversuch im Februar 2020 am Stuttgarter Flughafen massive polizeiliche Gewalt angewandt. Er kam in die Abschiebehaft zurück, konnte drei Tage nicht laufen. Erst nach zwei Wochen wurde er von einem Arzt des Helios-Klinikums in Pforzheim untersucht. Ein Fall von Beweismittelverlust.

Immer wieder erhalten wir Berichte über Gewalt in der Abschiebehaft. Offiziell gab es 2017 bis 2019 insgesamt 34 Anordnungen, wonach ‚Personen aufgrund ihres Verhaltens in einen besonders gesicherten Raum untergebracht wurden.‘10 Mitte Mai 2020 befand sich ein Inhaftierter in Quarantäne.11 Ein Insasse bezeichnete im Mai 2020 die Situation in der Abschiebehaft Pforzheim als „unmenschlich“12 und klagte gegen seine Inhaftierung. Er will die Unrechtmäßigkeit seiner Inhaftierung feststellen. 2017 und 2018 wurden von 754 Geflüchteten, 584 aus der Abschiebehaft abgeschoben.13 Offensichtlich wurden etwa 23 Prozent wieder entlassen.

Die durchschnittliche Verweildauer in der Abschiebehaft lag im August 2018 bei 47,7 Tage, im Jahr 2019 bei 29,8 Tagen.14 Ein Tag Abschiebehaft, das den Betroffenen in Rechnung gestellt wird, kostet 315,12 €.15

Im März 2020 hat das Landgericht Mosbach festgestellt, dass der praktizierte Ausreisegewahrsam in der Abschiebehaftanstalt Pforzheim rechtswidrig ist.16 Baden-Württemberg hatte bis zum 17. Februar 2020 insgesamt 42 mal den Ausreisegewahrsam beantragt.

Aus der Presse haben wir im März 2020 erfahren, dass „sich Regierungsseite, Petenten und aktive Flüchtlingshelfer vor Ort untereinander austauschen“ sollten.17 Bis heute wurden wir nicht kontaktiert. Lediglich zwei Eingangsbestätigungen zur Petition liegen uns vor.

GRÜN-Schwarz hat kein Interesse an einer Aufklärung. Das hat sich bestätigt. Die Gewalt in der Abschiebehaft wird es weiter geben. In verschiedenen Formen. Denn, sie ist systemimmanent.

Wir wollen keine Illusionen verbreiten, man könne den Rassismus in diesem Land mit einer Petition bekämpfen. Das einzige was zählt ist unsere entschlossene politische Aktion gegen die Abschiebehaft und gegen das mit Rassismus aufgeladene System.

Im Herbst wird das Netzwerk zu einer Aktion aufrufen!