12.05.2017: Bundessozialgericht verhandelt über Sozialleistungskürzung wegen Verweigerung der Mitwirkungspflicht

Sozialleistungskürzung für Flüchtlinge vor dem Bundessozialgericht

12.05.2017: Bundessozialgericht verhandelt über Sozialleistungskürzung wegen Verweigerung der Mitwirkungspflicht / Flüchtlingsrat: „Massive Einschränkung des menschenwürdigen Existenzminimums beenden!“

Pressemitteilung des Bayerischen Flüchtlingsrats, 09.05.2017 | Am kommenden Freitag, den 12.05.2017 wird das Bundessozialgericht mündlich den Fall eines Flüchtlings verhandeln, der sich seit Jahren konsequent weigert, an der Passbeschaffung und damit seiner eigenen Abschiebung mitzuwirken. Seit 2005 erhält er deshalb nur noch eingeschränkte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Form von Sachleistungen und kein Bargeld, um ihn zur Mitwirkung zu zwingen. Seit 2013 sind das nur noch Leistungen zur Deckung des physischen Existenzminimums, jedoch nicht zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums.

Im Juli 2012 hat jedoch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit einem bahnbrechenden Urteil den „verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum“ definiert, das aus migrationspolitischen Gründen nicht relativiert werden darf. Das BVerfG stellte fest, dass es nur ein Existenzminimum geben kann, da alle Menschen dieselben Bedarfe haben, unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Das Existenzminimum umfasse nicht nur das nackte Überleben, sondern auch ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe. Eine Reduzierung dieses Existenzminimums zur Steuerung der Migration sei nicht zulässig.

Das Bundessozialgericht steht nun vor der Entscheidung, ob das vom BVerfG so definierte Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum eingeschränkt werden darf, um Flüchtlinge zur Mitwirkung an ihrer eigenen Abschiebung zu zwingen. Diese Praxis ist auch in Bayern an der Tagesordnung und trifft unter anderem Flüchtlinge aus Afghanistan, die nicht nach Kabul abgeschoben werden wollen. Die Leistungseinschränkung führt u.a. dazu, dass sie ihre AnwältInnen nicht mehr bezahlen können, da sie kein Bargeld mehr bekommen, und damit ihren Rechtsbeistand verlieren.

Es ist ein Skandal, dass Flüchtlinge nur noch ein Bett im Lager, Verpflegung und medizinische Mangelversorgung erhalten, wenn sie nicht bereit sind, sich in alle Kriegs- und Krisengebiete dieser Welt abschieben zu lassen“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Wir bauen darauf, dass das Bundessozialgericht dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum volle Geltung verschafft. Denn ein verfassungsrechtlich garantiertes Grundrecht steht höher, als die kleinlichen Versuche der Behörden, den Willen von Flüchtlingen zu brechen und sie durch Sozialleistungsentzug zur Mitwirkung an der eigenen Abschiebung zu zwingen!

Weitere Informationen, u.a. zum Urteil des BVerfG von 2012, finden Sie unter:
www.fluechtlingsrat-bayern.de