Flüchtlingsabwehr als Vorwand für die Präsenz deutscher Kriegsschiffe in der Ägäis und Mittelmeer

Kampf um die Randmeere

Ein interessanter Bericht von German-Foreign-Policy.com 28.03.2017 BERLIN | – „Deutsche Militärstrategen diagnostizieren eine wachsende Bedeutung der Ostsee und des Schwarzen Meers für den Machtkampf des Westens gegen Moskau. Die beiden „Randmeere“ seien für Russland ungemein wichtig, heißt es in einer aktuellen Analyse, die in der Fachzeitschrift „MarineForum“ publiziert worden ist.

Sei die Ostsee für den russischen Seehandel als „Tor in den Atlantik“ unverzichtbar, so sei das Schwarze Meer für die russische Marine ein strategisch zentrales „Sprungbrett ins Mittelmeer“, das Einflussmaßnahmen in Nah- und Mittelost bis in den Indischen Ozean ermögliche. Während die NATO die Zugänge zu den beiden „Randmeeren“ kontrolliert, sucht Moskau seine strategischen Positionen dort zu konsolidieren und stärker aus dem Schwarzen Meer ins Mittelmeer auszugreifen. Die NATO bemühe sich um Gegenmaßnahmen, um Russland wieder weiter zurückzudrängen, heißt es im MarineForum. Auch die Bundesrepublik baut hre Aktivitäten aus, tritt verstärkt im und am Schwarzen Meer auf – und lädt Marinen aus Ländern, mit denen sie kooperiert, zu gemeinsamen Manövern in die Ostsee ein.

Zugang zu den Weltmeeren
Die hohe geostrategische Bedeutung der Ostsee und des Schwarzen Meeres für Russland steht im Mittelpunkt einer Analyse, die die Fachzeitschrift MarineForum in ihrer aktuellen Ausgabe abdruckt. Zwar sei Russland „primär kontinentale Landmacht“, konstatiert das Blatt; doch gehöre zu seinem Anspruch, als globale Macht anerkannt zu werden, „zwangsläufig auch ungehinderter Zugang zu den Weltmeeren“.[1] Dieser sei im Polarmeer (Murmansk) und am Pazifik problemlos möglich; ungünstig sei jedoch die Lage in der Ostsee und am Schwarzen Meer. Beide seien „für die heutige russische Marine als rückwärtiger Raum unverzichtbar“. Die Ostsee sei zudem „für den russischen Seehandel das Tor in den Atlantik“, das es „offen zu halten“ gelte; das Schwarze Meer wiederum habe „aus übergreifenden strategischen Erwägungen eine besondere Bedeutung“: Die NATO besitze „an der Süd-/Südwestflanke Russlands“ – bisher jedenfalls – „nicht die dominierende Machtposition wie in Mittel-/Westeuropa“, weshalb Moskau in Teilen des Mittelmeergebiets sowie im Nahen und Mittleren Osten „noch gezielt Machtpolitik betreiben und politisch wie militärisch Verbündete wie Syrien ‚pflegen‘ oder gar neu gewinnen“ könne. Für Russland sei das Schwarze Meer das „Sprungbrett ins Mittelmeer und darüber hinaus bis in den Indischen Ozean“.
Nach Osten vorgedrungen
Umso nachteiliger sei es für Moskau, dass die NATO die Ausgänge der beiden strategisch überaus wichtigen „Randmeere“ fest im Griff habe – „in der Ostsee an den Dänischen Meerengen, im Schwarzen Meer am Bosporus“, stellt das MarineForum fest.[2] In der Tat sehe das NATO-Konzept – nicht anders als früher im Kalten Krieg – im Falle eskalierender Auseinandersetzungen „eine sofortige und effektive Sperrung dieser Meerengen vor“. Hinzu komme, dass Moskau „in beiden Randmeeren“ nicht nur einstige Verbündete, sondern auch „den weitaus größten Teil seiner früheren Küsten (Sowjetrepubliken) verloren“ habe. Es könne nun im Konfliktfalle nicht mehr wie die Sowjetunion „möglichst weit ‚vorne‘ … handeln“. Russland habe lange Zeit „in beiden Randmeeren auf Partnerschaft“ mit dem Westen gesetzt, darauf aufbauend, dass Washington 1990 zugesagt hatte, das westliche Bündnis werde „bei sowjetischer Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung … ’seinen Einflussbereich nicht einen Zoll weiter nach Osten ausdehnen'“, heißt es im MarineForum. Wenngleich die NATO rasch „mit ihrer Osterweiterung in die frühere Pufferzone“ eingedrungen und „direkt an die russischen Landesgrenzen heran[gerückt]“ sei – unter Bruch aller Absprachen -, habe Moskau lange auf Zusammenarbeit gesetzt und „bis vor wenigen Jahren sogar an NATO-Übungen teil[genommen]“.
Sea Control
Tatsächlich hat Moskau erst nach dem georgischen Angriff auf Südossetien im August 2008, der zum fünf Tage währenden russisch-georgischen Krieg führte, umzusteuern begonnen und erst nach dem prowestlichen Umsturz in der Ukraine den Kurswechsel hin zur Konsolidierung strategischer Machtpositionen auch gegen den Westen komplettiert. So solle beispielsweise „ein 2012 formell aufgestelltes und der Schwarzmeerflotte unterstelltes ‚Ständiges Mittelmeergeschwader‘ … permanente Präsenz in der für Russland wichtigen Region sicherstellen“, erläutert das MarineForum.[3] „Solchen Tendenzen will die NATO (in enger Zusammenarbeit mit der EU) nunmehr entschlossen entgegentreten“, heißt es in dem Blatt. In der Ostsee habe man es damit zu tun, dass Moskau, ohne Kontrolle über seinen Zugang zum Atlantik und auf Gebiete ganz im Osten des Meeres beschränkt, auf die militärische Strategie des Anti Access/Area Denial (A2/AD) setze [4], heißt es weiter; man könne dagegen mit Bemühungen um „Sea Control“ eingehen, „wie sie seit Anfang 2017 auch wieder Eingang in das Denken der US-Navy gefunden hat“. Auch das Schwarze Meer gerate heute wieder stärker in den Blick. Zudem erscheine es wichtig, „sich Klarheit über die weitere operative Ausdehnung der russischen Seestreitkräfte über Syrien und Zypern hinaus in Richtung Libyen zu verschaffen“, urteilt das Blatt; dort sei „eine Präsenzverstärkung der NATO vor allem mit Seestreitkräften zu erwarten“.
Vom Mittelmeer ins Schwarze Meer
Tatsächlich bringen die Marineoperationen von NATO und EU vor der libyschen Küste und in der Ägäis, die mit der Flüchtlingsabwehr begründet werden, eine wachsende Präsenz auch deutscher Kriegsschiffe in dem von Russland in den Blick genommenen Seegebiet mit sich.[5] Zudem nimmt die Bundeswehr an der Intensivierung westlicher Militärtätigkeiten am und im Schwarzen Meer teil. Berlin hat prinzipiell zugesagt, die „Tailored Forward Presence“ in Rumänien, die die NATO auf ihrem Warschauer Gipfeltreffen im Juli vergangenen Jahres beschlossen hat, zu unterstützen. Dazu gehöre die Verstärkung der NATO-Präsenz am Schwarzen Meer zu Lande, zu Wasser und in der Luft, erläutert das Kriegsbündnis. Zu den Staaten, die ihre Teilnahme „mit Luft-, Land- oder Seestreitkräften angekündigt“ hätten, gehöre auch die Bundesrepublik, teilt das Bundesverteidigungsministerium mit.[6] Zuletzt hat die deutsche Marine vom 5. bis zum 13. März mit ihrem Minensuchboot FGS Rottweil an dem Manöver „Poseidon“ teilgenommen, das die rumänische Marine organisiert hat. Involviert waren insgesamt 17 Kriegsschiffe mit mehr als 1.500 Marinesoldaten aus sieben NATO-Staaten.[7] Es sei darum gegangen, Maßnahmen zur „Sicherung der Seewege“ zu trainieren, hieß es; ein Schwerpunkt habe auf der Minenabwehr gelegen.
Nuklearbomber über der Ostsee
Gleichzeitig legt die Bundeswehr wieder größeres Gewicht auf Aktivitäten in der Ostsee. Diese waren seit 1990, als es Berlin vor allem darum ging, weltweit interventionsfähig zu werden, etwas in den Hintergrund gerückt. Vor wenigen Tagen ist ein Manöver beendet worden, das die Marinen Deutschlands und Südafrikas gemeinsam abgehalten hatten – in der Ostsee. Zuvor hatten deutsche Marineeinheiten ihre Kooperationstrainings mit südafrikanischen Militärs üblicherweise im Rahmen einer Umrundung Afrikas und unweit dem Kap der Guten Hoffnung durchgeführt. Neues Gewicht wird auch auf die BALTOPS-Manöver gelegt, welche die NATO einmal jährlich in der Ostsee organisiert. BALTOPS wurde erstmals im Jahr 1971 abgehalten. Im Rahmen der Übung werden zuweilen auch Kampfhandlungen zwischen zwei Ostsee-Anrainern trainiert. Russland ist der einzige Anrainer, der weder NATO angehört noch – wie Finnland und Schweden – eng mit ihr kooperiert. Am jüngsten BALTOPS-Manöver im Juni 2016 nahmen rund 4.000 Soldaten aus insgesamt 17 Staaten teil, darunter neben NATO-Mitgliedern auch Finnland, Schweden und Georgien. Es wurden nicht zuletzt US-B-52-Bomber eingesetzt. B-52-Bomber können prinzipiell für den Einsatz von Atomwaffen verwendet werden.“