An den Vorstand der Denkmal-Stiftung…

… Hausherr über das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas

Sehr geehrte Damen und Herren – Es war für mich eine schockierende Mitteilung, dass die Romafamilien, die am 22.05.16 gegen die aktuell äußerst zugespitzten deutschen Abschiebemaßnahmen in ihre Verfolger-Herkunftsländer ein Zeichen am Mahnmal für ihre ermordeten Vorfahren setzen wollten, ausgerechnet dort von Polizei eingekesselt und in der Nacht geräumt worden sind!! Ich schäme mich (als Deutsche und Berlinerin) dafür überaus, dass ausgerechnet die Denkmal-Stiftung es nicht gewagt hat, die heute wieder überall so konsequent ausgegrenzten und verfolgten Roma gewähren zu lassen und am Denkmalsort für ihre Vorfahren die Bundesregierung daran zu erinnern, dass ihnen noch immer jedes Bleiberecht im Nachfolgestaat der Nationalsozialisten abgesprochen wird, und dass sie von diesem Staat stattdessen in menschenunwürdiges Elend abgeschoben werden!

Ich hätte mir sehr gewünscht, dass Ihre Stiftung den Besuch der Roma am Berliner Denkmal dafür nutzt, eben auf dem Hintergrund der Genozid-Geschichte für die Rechte der heute verfolgten Roma nachdrücklich einzutreten! Die heutige Verfolgung von Roma-Minderheiten in den Nachfolgestataten Jugoslawiens ist in zahlreichen Dokumentationen bestens belegt und bekannt, auch der Bundesregierung! Diese hat entgegen ihres Wissens und ihrer Kenntnisse aus politischen Opportunitätsgründen die Nachfolgestaaten Jugoslawiens zu „sicheren Herkunftsländern“ erklären lassen und schiebt heute massenweise Roma in Länder ab, in denen sie Verfolgungen und Diskriminierungen durch Behörden wie Mitbürger*innen ausgesetzt sind und keine Integrations- und Erwerbschancen haben, die Kinder ohne Zukunft sind! Es sind auch bereits lange in Deutschland lebende Roma betroffen sowie deren Kinder, die hier aufgewachsen sind und die kein anderes Land als unseres kennen, sowie Roma, die bereits als Kinder hier lebten, die gut deutsch sprechen und vor Jahren mit ihren Eltern von hier abgeschoben wurden und nun zurück gekommen sind, weil sie in ihren sogenannten Herkunftsländern in heute für europäische Verhältnisse unvorstellbarem Elend leben müssen!

Dass Sie das nicht getan haben und stattdessen den Ort polizeilich räumen ließen, hätte ich mir nicht träumen lassen. Es entsetzt mich, denn es kann doch nicht sein, dass selbst die Erinnerungs-Stiftung aus der Geschichte nichts mehr lernen will, sondern die Geschichte im Turm der Vergangenheit absperrt und kalt und brutal darüber hinweg brettert, dass viele der heute verfolgten Roma aus Ost- und Südosteuropa, davon viele mit von den Nazis verfolgten Vorfahren, heute noch immer auf die Entschuldigung und Wiedergutmachung warten müssen, die ihnen von unserer Regierung noch immer verweigert wird!
Eine Wiedergutmachung, die diesen Namen verdient und mit der NS-Genozid-Geschichte wirklich Schluss machen will, kann nur bedeuten, dass allen hierher flüchtenden und bereits schon lange hier lebenden Roma endlich ein unbeschränktes Bleiberecht eingeräumt wird!

Ich forsche seit langem über die aktuellen und seit der Auflösung Ex-Jugoslawiens intensivierten Verfolgungsgeschichten von Roma-Minderheiten in den Nachfolgestaaten und über die deutsche Balkan-Politik – ich weiß ganz sicher gut, wovon ich hier rede!

Daher bitte ich Sie dringend, sich von Ihrem beschämenden Schritt wenigstens nachträglich und öffentlich zu distanzieren und bei der Bundesregierung sich für die so lange ausgesetzte Wiedergutmachung an den Nachfahren der damals verfolgten Roma einzusetzen – im obigen Sinne!

Zu Ihrer Kenntnisnahme habe ich die Mitteilung des Vereins ALLE BLEIBEN über die polizeiliche Räumung des Denkmals in der vorletzten Nacht sowie die Presseerklärung der zum Mahnmal gekommenen Roma vom 22.05.16 hier beigefügt.
Diesen Brief möchte ich auch der Öffentlichkeit zugänglich machen und bin daher dankbar für Ihre baldige Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Eva Weber
Forschungsgesellschaft Flucht & Migration e.V.
Gneisenaustr. 2 a
10961 Berlin