Neuer Gesetzesentwurf will die Abschiebehaft ausweiten

Perfidie in Paragrafenform

„Dieser Gesetzentwurf ist das Schärfste und das Schäbigste, was einem deutschen Ministerium seit der Änderung des Asylgrundrechts vor 21 Jahren eingefallen ist. Er ist nicht nur eine Ansammlung von Nickeligkeiten, neuen Erschwernissen und Bürokratismen; im Kern ist er die Perfidie in Paragrafenform,“ schreibt Heribert Prandl in der Süddeutschen ZeitungDas Innenministerium will sich zwar die extremen Verschärfungen unter anderem durch die Einführung eines stichtagsunabhängigen Bleiberechts und der Erweiterung des Bleiberechts für Jugendliche und Heranwachsende erkaufen. Allein: Sollte der Entwurf Gesetz werden, würde kaum noch jemand in die neue Bleiberechtsregelung hineinkommen.

* Eine geradezu abstruse Ausweitung der Abschiebungshaft
* Einschränkungen des Familiennachzugs zu Personen, denen Internationaler subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist
* Die Einführung von Einreisesperren für Personen, die eine ihnen gesetzte Ausreisefrist nicht eingehalten haben
* Die Einführung von Einreisesperren für Personen, die nach behördlicher Auffassung eingereist sind, um Sozialleistungen zu beziehen.

Und letzteres hätte – so ganz nebenbei – zur Folge, dass die Verhängung von Arbeitsverboten für Geduldete massiv ausgeweitet werden dürfte – obwohl zum Arbeitsverbot kein einziges Wort im Gesetzentwurf zu finden ist.
Der Grund liegt in der Regelung des § 33 Abs. 1 Beschäftigungs-Verordnung

„Ausländerinnen und Ausländern, die eine Duldung besitzen, darf die Ausübung einer Beschäftigung nicht erlaubt werden, wenn

  • //1. sie sich in das Inland begeben haben, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, oder//
  • //2. aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihnen aus Gründen, die sie selbst zu vertreten haben, nicht vollzogen werden können.“/

Bislang spielt die erste Alternative bei der Verhängung von Arbeitsverboten keine größere Rolle. Das würde sich durch die Gesetzesänderung wohl gravierend verändern. Denn laut Gesetzentwurf sieht der künftige § 11 Abs. 7 AufenthG-E vor, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt werden kann, wenn /“tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass (der Ausländer) in das Bundesgebiet eingereist ist, um öffentliche Leistungen zu beziehen, die der Sicherung des Lebensunterhalts dienen“/ – was wohl insbesondere Leistungen nach dem AsylbLG sein dürften. Im folgenden wird sodann gesetzlich vermutet, dass eine Einreise zum Zwecke des Bezugs öffentlicher Leistungen u. a. regelmäßig dann erfolgt sei, wenn /“ein Asylantrag als unzulässig, unbeachtlich oder als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird.“/ Hiermit wäre somit gleichsam automatisch die Voraussetzung für die Verhängung eines Arbeitsverbots erfüllt.

In den vergangenen beiden Jahren sind etwa zwei Drittel aller Asylantrags-Ablehnungen als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt worden; laut Bundesregierung handelte es sich in den Jahren 2012 und 2013 um jeweils etwa 20.000 ou-Ablehnungen von jeweils etwa 30.000 Gesamt-Ablehnungen. Der weit überwiegende Teil der abgelehnten Asylantragsteller_innen dürfte also getreu dieser Logik künftig nicht arbeiten. Die Folge wäre: Kaum jemand würde die Voraussetzung einer Lebensunterhaltssicherung für die neue Bleiberechtsregelung nach § 25b erfüllen. Und auch die vielbeschworenen Fachkräfte und Hochqualifizierten, deren Asylantrag „ou“ abgelehnt worden ist, dürften nicht arbeiten. Die geplante Verkürzung der Wartefrist für den Arbeitsmarktzugang gerät so zur Farce.

Der Gesetzentwurf ist nicht nur „Perfidie in Pragrafenform“, sondern auch sozial-, integrations- und arbeitsmarktpolitisch einigermaßen grotesk…