Frankfurter Flughafen: Öffentlicher Raum oder Privatbesitz?

Aktionsbündnis Rhein-Main gegen Abschiebung
Pressemitteilung 16. November 2010

Öffentliche Verhandlung am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 23. November 2010

Das Aktionsbündnis gegen Abschiebung ist der Auffassung, dass zum Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch das Recht gehört, gerade an den Orten zu demonstrieren und aufzuklären, an denen es zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Und der Frankfurter Flughafen ist durchaus ein solcher Ort.

Von den 7289 Abschiebungen auf dem Luftweg im Jahr 2009 wurden 3270 am Frankfurter Flughafen durchgeführt. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass 1994 Kola Bankole und 1999 Aamir Ageeb bei Abschiebungen vom Frankfurter Flughafen zu Tode gekommen sind und sich Naimah Hadjar im Jahr 2000 im Flughafeninternierungslager aus Angst vor ihrer Abschiebung erhängte.

Aktuellstes dramatisches Beispiel ist der Tod von Jimmy Mubenga, der am 15. Oktober diesen Jahres am Flughafen Heathrow an Bord eines Flugzeugs der British Airways von drei privaten Sicherheitskräften so lange niedergedrückt wurde, bis er erstickte.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wird nun am 23.November 2010 darüber verhandeln, ob das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit auch am Flughafen gilt.

Damit geht die juristische Auseinandersetzung um die Geltung von Grundrechten in privatisierten öffentlichen Räumen in die nächste Runde.
Juristische Vorgeschichte:
Der bevorstehenden Verhandlung ging die Klage einer Abschiebegegnerin aus Frankfurt gegen ein vom privaten Flughafenbetreiber Fraport verhängtes Hausverbot voraus. Das Hausverbot wurde erteilt, als die Abschiebegegnerin im Jahr 2003 Informationen über eine bevorstehende Abschiebung an den betreffenden Piloten weitergeben wollte und Handzettel an die Fluggäste verteilte.
Am 20. Mai 2005 hatte das Frankfurter Landgericht dieses Hausverbot für rechtens erklärt und damit ein vorausgegangenes Urteil des Amtsgerichts bestätigt. Der Flughafen unterliege nicht der Grundrechtsbindung und so müsse die Fraport auch keine Proteste gegen Abschiebungen zulassen, so die Begründung des Landgerichts.

Die Klägerin, Mitglied des Aktionsbündnisses gegen Abschiebung, legte gegen dieses Urteil Revision vor dem Bundesgerichtshof ein, der jedoch am 20. Januar 2006 in seinem Urteil das Hausverbot und damit auch die vorangegangenen Urteile von Amts- und Landgericht Frankfurt bestätigte.

Eine andere Auffassung als das Landgericht Frankfurt vertrat übrigens im März 2003 der Hessische Verwaltungsgerichtshof in einem Beschluss zu Versammlungen gegen den Irak-Krieg am Frankfurter Flughafen. Eine Aktiengesellschaft, die wie die Fraport AG mehrheitlich von der öffentlichen Hand betrieben wird, unterliege der Grundrechtsbindung aus Art. 8 des Grundgesetzes, so der Hess. VGH.
Da mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs die Möglichkeit auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit am Frankfurter Flughafen de facto ausgehebelt wird und AbschiebegegnerInnen bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte kriminalisiert werden, reichte die Klägerin im Namen des Aktionsbündnisses gegen Abschiebung am 15. März 2006 eine Verfassungsbeschwerde ein.

Der Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Publizist und Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner hatte der Verhandlung am Bundesgerichtshof als Prozessbeobachter beigewohnt und erklärt: “Es geht um die Grundsatzfrage: Ist es mit den Prinzipien einer rechtsstaatlich verfassten Demokratie vereinbar, dass öffentlicher Raum in Privatbesitz umdefiniert wird, wo dann elementare Grundrechte drastisch eingeschränkt, ja regelrecht suspendiert werden können? Darf sich eine Demokratie solche grundrechtsfreien Räume leisten – zumal, wenn in diesen hoheitliche Aufgaben wahrgenommen werden?“

Wie wichtig und legitim Proteste vor Ort sind, hatten kurz vor der Verhandlung am Bundesgerichtshof die Aktionen gegen die Abschiebung der Iranerin Zarah Kameli im Februar 2005 gezeigt, die nach der Verhinderung ihrer Abschiebung ein Bleiberecht in Deutschland erhalten hatte.
„Protestaktionen gegen Abschiebungen am Flughafen sind nicht nur legitim, sie dienen auch der Verwirklichung des Grundrechts auf Asyl. Allzu oft wurden Menschen durch Fehlentscheidungen von Behörden und Gerichten zur Abschiebung in Verfolgung und Folter preisgegeben. So hat man im Mai 2008 zwei junge eritreische Deserteure aus dem Flughafentransit Frankfurt abgeschoben, die bei der Ankunft in ihrem Verfolgerstaat sofort unter grausamen und unmenschlichen Bedingungen inhaftiert wurden. Mit knapper Not entkamen sie dem Tode und wurden dann nachträglich in Abwesenheit anerkannt. Hätten erfolgreiche Proteste auf dem Rhein-Main-Flughafen gegen diese Abschiebung den beiden dieses Schicksal ersparen können – die Aktion wäre auch unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt. Deutschlands größter Abschiebungsflugplatz ist natürlich öffentlicher Raum und damit potentieller Schauplatz von Demonstrationen,“ so PRO ASYL – Referent Bernd Mesovic.

Eine Bestätigung des Urteils würde es der Fraport und somit auch der Lufthansa und anderen Fluggesellschaften erlauben, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit aus dem Flughafengelände auszuschließen und es somit unmöglich machen, vor Ort gegen staatliche Abschiebemaßnahmen und die geschäftsmäßige Beteiligung von Fluggesellschaften daran zu protestieren. Die Fraport versucht damit nicht nur AbschiebegegnerInnen abzuschrecken, sondern wichtige Proteste zu kriminalisieren.

Am Dienstag, den 23. November um 10 Uhr wird jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe darüber verhandelt werden, ob das Urteil des Bundesgerichtshofs und die vorangegangenen Urteile des Amts- und Landesgerichts Frankfurt Bestand haben.
Prozessbevollmächtigte für die Verfassungsbeschwerde sind der Frankfurter Verfassungsrechtler Prof. Dr. Dr. Günter Frankenberg und der Bremer Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano.

mit freundlichen Grüßen
Julia Kümmel
für das Aktionsbündnis Rhein-Main
Tel: 0176 – 52 18 79 51
Email: aktivgegenabschiebung@drittewelthaus.de