Papierflieger und rote Bächle gegen Abschiebungen

Presseerklärung vom 13. Juli 2010

Einmal im Monat geht ein Abschiebeflug vom Flughafen Baden-Baden. An Bord- Flüchtlinge, hauptsächlich Roma, die teilweise seit Jahren in Deutschland lebten und dieses Land nicht freiwillig verlassen haben. Im Kosovo erwartet sie ein Leben ohne Perspektive- gerade Roma sind dort noch immer einer tiefgreifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Diskriminierung ausgesetzt, sie müssen noch immer mit Verfolgung rechnen. Viele von ihnen leben seit Jahren in Deutschland, ihre Kinder sind hier geboren und sprechen nicht einmal die Sprache der fremd gewordenen „Heimat“ Kosovo.

Das hindert die deutschen Behörden jedoch nicht daran, sie abzuschieben und damit Existenzen zu zerstören. Entgegen der Einschätzung der EU-Kommission und diverser NGOs bewertet die Bundesregierung die Lage im Kosovo wider aller Fakten als „unproblematisch“ und hat ein Rückübernahmeabkommen mit Pristina geschlossen. Demnach sollen in den nächsten Jahren

15 000 Menschen in den Kosovo abgeschoben werden. Auch 460 Menschen aus Freiburg sind nun zusätzlich akut von Abschiebung bedroht.

Die monatlich stattfindenden Abschiebungen werden unbemerkt von der Bevölkerung über den Flughafen Baden-Baden durchgeführt, er ist für ganz Süddeutschland die zentrale Stelle für Abschiebungen in den Kosovo.

So zeigt sich, dass anders als häufig suggeriert, der staatliche Rassismus und die brutale Abschottung Europas nicht nur an den Außengrenzen der EU, sondern auch direkt in unserer Region zu Tage treten.

Um auf diese Tatsache aufmerksam zu machen, haben wir heute in der Freiburger Innenstadt Papierflieger mit Informationen zu den Abschiebungen vom Münster fliegen lassen und die „Bächle“ rot gefärbt. Denn nicht nur das Mittelmeer färbt sich rot vom Blut toter Flüchtlinge- die Opfer der Festung Europa leiden und sterben auch im Schwarzwald, direkt vor unserer Haustüre. Die roten „Bächle“ in Freiburg sollen als Symbol für diese Grausamkeit, die Grausamkeit des deutschen Abschiebesystems, stehen und unseren Protest dagegen für jeden sichtbar machen.

Flüchtlinge werden in Deutschland als Menschen zweiter Klasse behandelt, für die die Menschenrechte nur eingeschränkt gelten. Sie dürfen nicht arbeiten, müssen auf engstem Raum in Lagern leben und dürfen den Landkreis, in dem sie untergebracht sind, nicht verlassen. Sie leben in ständiger Angst vor Abschiebung und in dem Bewusstsein, in Deutschland alles andere als willkommen zu sein. Viele halten diesem Druck nicht stand, Körper und Seele leiden, manchmal so sehr, dass keine Rettung mehr möglich ist. Mehrere Suizide in Abschiebegefängnissen in den letzten Monaten (zuletzt am 2.Juli in Hannover) verdeutlichen dies auf traurigste Weise.

Wie kann es sein, dass solche Zustände in einem angeblich rechtsstaatlichen Land wie Deutschland geduldet, gar gefördert werden?

Menschen verlassen aus unterschiedlichsten Gründen ihre Heimat- sie fliehen vor Krieg, Elend, Folter oder politischer Verfolgung. Gemeinsam ist allen, dass sie kaum eine andere Wahl hatten, als zu fliehen, vor Zuständen, die wir uns kaum vorstellen können. Doch auch in Deutschland geht ihr Leiden weiter- sie sind nicht willkommen und das wird ihnen heftig verdeutlicht.

Wir leben ein privilegiertes Leben in Deutschland- friedlich, sicher und in einem gewissen Wohlstand. Wir haben Glück gehabt. Doch woher nehmen wir das Recht, jene, die nicht so viel Glück hatten auszugrenzen und in das Elend, vor dem sie geflohen sind, zurückzuschicken? Dafür gibt es keinerlei Legitimation!

Daher fordern wir eine sofortige Abkehr von der inhumanen Flüchtlings- und Abschiebepolitik Deutschlands und der Europäischen Union!

Menschenrechte können nicht von einem Pass abhängig sein!

Die roten „Bächle“ sind nur ein Symbol, sie sollen endlich eine Problematik vor Augen führen, die viel zu lange unbeachtet blieb.

Ein Symbol kann die Zustände nicht ändern- vielfältiger Protest schon. Dieser ist auch auf lokaler Ebene mögliche- Ansatzpunkte bieten u.a. die Stadt Freiburg, der Baden-Airpark und das Regierungspräsidium Karlsruhe.

Hinsehen, Interesse zeigen und Widersprechen sind die ersten Schritte!

Solidarität und Unterstützung für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in den Flüchtlingswohnheimen!

Denn kein Mensch ist illegal, nirgends!

Aktion Bleiberecht Freiburg