Flüchtlingsdrama im Mittelmeer

Flüchtlinge
Drama im Mittelmeer

VON DOMINIK STRAUB

Beim Versuch, von Libyen nach Italien überzusetzen, sind am Montag vermutlich mehr als 200 Flüchtlinge ertrunken. Laut italienischen und libyschen Medienberichten geriet wenige Kilometer vor der libyschen Küste ein Flüchtlingsschiff in einen Sturm und ging unter. Nach Angaben von Laurence Hart, Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Tripolis, befanden sich auf dem Schiff 257 Personen. Zunächst hatte es Berichte über weitere zwei gekenterte Boote gegeben, die aber von den libyschen Behörden dementiert wurden.

Bisher wurden 23 Überlebende und 21 Leichen geborgen, unter ihnen zehn Ägypter. Ein weiteres Boot mit etwa 350 Menschen an Bord, das ebenfalls in Seenot geraten war, wurde bereits am Montag von einem italienischen Schlepper ans sichere Ufer gebracht.

Laut italienischen Medienberichten werden derzeit noch etwa 200 Menschen vermisst, doch bestehe kaum Hoffnung, noch Überlebende zu finden. Das gekenterte Flüchtlingsboot sei schon zu weit von der libyschen Küste entfernt gewesen, weshalb die Schiffbrüchigen nicht mehr schwimmend an Land hätten zurückkehren können, berichtete der IOM-Sprecher. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres, betonte, dass das Drama einmal mehr die Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit bei der Rettung schiffbrüchiger Flüchtlinge unterstreiche.

Sollten sich die Angaben bestätigen, dann handelt es sich um eine der schlimmsten Flüchtlingstragödien der letzten Jahre in libyschen Gewässern. Jedes Jahr machen sich von der Küste des Landes Zehntausende auf den gefährlichen Weg nach Italien; allein auf der Insel Lampedusa waren 2008 mehr als 30 000 Personen gelandet. Die Situation im Abschiebezentrum in Lampedusa, wo es Mitte Februar zu einer gewalttätigen Revolte unter den vorwiegend tunesischen Flüchtlingen gekommen war, ist nach wie vor prekär.

Trotz des schlechten Wetters war es am Montag über 400 Bootsflüchtlingen gelungen, nach Sizilien überzusetzen. In der Nacht zuvor waren erneut 153 Einwanderer in Sizilien gestrandet. Weitere 222 Migranten hatten es am Sonntag bis nach Lampedusa geschafft.

Wie der italienische Innenminister Roberto Maroni am Dienstag erklärte, soll den Todesfahrten ab dem 15. Mai ein Ende bereitet werden: An diesem Tag sollen die von Italien mit Libyen vereinbarten gemeinsamen Patrouillen an der libyschen Küste beginnen. Rom hat unterdessen ein Abkommen ratifiziert, wonach Italien in den nächsten 20 Jahren jährlich 250 Millionen Euro Entschädigung für die Verbrechen während der Kolonialzeit überweisen wird. Als Gegenleistung hat sich der libysche Revolutionsführer Muammar el-Gaddafi zu einer gemeinsamen Kontrolle seiner Küstengewässer verpflichtet.

Der Vertrag war im Sommer zwischen Italiens Premier Silvio Berlusconi und Gaddafi feierlich unterzeichnet worden, doch auch Vertreter des italienischen Regierungslagers hatten sich schwer getan, dem Geldregen für den „Diktator“ zuzustimmen.

Quelle: Frankfurter Rundschau – online