Wie viele ertrunken sind, wissen wir nicht!

LIFELINE: Welche Blockade-Rolle spielte Seehofer?

FFM | „In der europäischen Nachkriegsgeschichte ist die politische Tragödie der Kollektivabschiebung von 1.000 bis 2.000 Menschen – Boat-people im Mittelmeer – zurück in KZs in unmittelbarer Nachbarschaft der EU beispiellos. Ob und in welchem Ausmaß diese Menschen am vergangenen Wochenende tatsächlich von ihren Booten geholt und nach Libyen deportiert wurden, oder: wie viele ertrunken sind, wissen wir nicht, denn es gibt keine Zeugen außer den libyschen Küstenmilizen und keine Kontakte zu Überlebenden und Deportierten.

Am Samstag dem 23.06.2018 verständigte die italienische Seenotrettungsleistelle in Rom (MRCC) alle Schiffe im zentralen Mittelmeer über die Seenot von 1.000 Boat-people. Und sie gab offiziell bekannt, dass sie sich aus der Koordination der Seenotrettung im zentralen Mittelmeer mit sofortiger Wirkung zurückzieht. Sie wies ein NGO-Rettungsschiff explizit an, nicht an eventuellen Rettungen dort teilzunehmen.

Dieses massenhafte Refoulement mit möglicher Todesfolge Vieler wird die italienische Regierung nur mit Rückendeckung der EU veranlasst haben.

Am Sonntag dem 24.06.2018 fand in Brüssel der informelle EU-Flüchtlingsgipfel statt, auf dem die italienische Regierung widerspruchslos eingefordert hat, dass eine „gemeinsame EU-Verantwortung für Schiffbrüchige“ anerkannt wird.

Das NGO-Rettungsschiff LIFELINE wird seit dem 21.06.2018 mit 234 aufgenommenen Boat-people von den Regierungen Italiens, Maltas, Frankreichs, Spaniens, Deutschlands, der Niederlande etc. im zentralen Mittelmeer blockiert.

In aller Kürze sind transnationale Initiativen für „sichere Häfen“ und städtische Flüchtlingsaufnahmen („Solidarity Cities“) quer durch Europa entstanden. Parlamentsabgeordnete besuchten die LIFELINE vor Malta. Dennoch schien es so, dass eher ein polizeilich-militärischer Sturm auf das Rettungsschiff als eine willkommensbegrüßte Anlandung in Italien oder Malta mit Weiterflug der Bootsflüchtlinge in andere EU-Staaten möglich wäre. Bürgermeister trauten sich nicht, die vorhandene Aufnahmebereitschaft öffentlich zu bekunden. Die Spitzen grüner und linker Parteien, aus deren Reihen Abgeordnete auf der LIFELINE waren, blieben in der Öffentlichkeit stumm.

Doch nun ist der erste Durchbruch geschafft. Bürgermeister von Berlin bis Barcelona haben gestern und heute ihre Bereitschaft erklärt, Boat-people der LIFELINE aufzunehmen. Jetzt ist ein „Welcome Refugees“ gegen die EU-Blockade durchzusetzen.

Wer brachte die Regierungen in der EU auf diesen unerhörten Abschottungskurs der letzten Tage? Die italienische Regierung ist mit ihrem rassistischen Programm in Westeuropa beispiellos, aber sie wartet auf viel Geld aus der EU für versprochene Sozialprogramme. Der entscheidende Hebel für Finanzzusagen befindet sich in Deutschland. In den kommenden Tagen, rund um den EU-Gipfel am nächsten Donnerstag / Freitag, werden wir über Hintergründe und Verantwortlichkeiten der erfolgten Blockade im zentralen Mittelmeer mehr erfahren.“