Kirchenasyl für Roma in Rotenburg

Presseinformation zum Kirchenasyl in der Auferstehungsgemeinde

27. April 2010

Seit 21.04.2010 gewährt die Auferstehungsgemeinde in ihrem Kirchenraum zwei Frauen Kirchenasyl. Sie stammen aus dem Kosovo, gehören zur diskriminierten Volksgruppe der Roma und leben seit 19 Jahren in Deutschland. Mutter(70) und Tochter (48) haben bisher ein bewegendes und schweres Leben gehabt und sind beide sehr krank. Zu ihnen gehört ein 22-jähriger Sohn, der in Rotenburg eine Ausbildung macht und darum ein eigenes Bleiberecht erworben hat. Der Landkreis Rotenburg hat der Mutter und der Großmutter die Abschiebung nach Serbien angedroht. Die Rechtsmittel sind vorläufig ausgeschöpft.

Wir, die UnterstützerInnen dieses Kirchenasyls, halten die angedrohte Maßnahme für ungerecht und unter humanitären Gesichtspunkten für nicht vertretbar. Ausschlaggebend für diese Einschätzung sind der Gesundheitszustand und das Alter der Betroffenen, die Dauer ihres Aufenthaltes in Deutschland, ihre Verwurzelung hier mit der guten Integrationsperspektive für den Sohn und die schlimme Situation, die sie nach einer Abschiebung erwartet. In Serbien haben sie nie gelebt. Dort haben sie keine Kontakte, keine staatliche Unterstützung und keinerlei Hoffnung auf die notwendige Gesundheitsfürsorge. Auch im Kosovo gibt es nach übereinstimmender Meinung fast aller Sachkundigen keine zumutbare Lebensperspektive für abgeschobene Roma-Flüchtlinge.

Der Kirchenvorstand der Auferstehungsgemeinde hat sich eingehend mit der Situation beschäftigt und einstimmig die Durchführung eines Kirchenasyls beschlossen. Er wird dabei beraten und unterstützt vom Ökumenischen Arbeitskreis Asyl im Kirchenkreis Rotenburg, von den Mitarbeitenden der Flüchtlingsberatung im Kirchenkreis und von Superintendent Hans-Peter Daub.

Kirchenasyl ist kein rechtliches, sondern ein moralisches Instrument. Es ist ein ‚öffentliches Verstecken‘ bedrohter Flüchtlinge, um die Behörden und verantwortlichen politischen Gremien zum Innehalten und erneuten Überdenken ihrer Praxis und deren Konsequenzen zu bewegen. Die Flüchtlinge halten sich im Kirchengebäude der Auferstehungsgemeinde auf. Regelmäßige Andachten und Gebete schaffen einen unsichtbaren Schutzraum, den, so hoffen wir, auch die Vollzugsbehörden respektieren.

Die Ziele und Forderungen des Kirchenasyls sind:

• keine Abschiebung nach Serbien, da die Frauen aus dem Kosovo kommen. (Dass die Flüchtlingsfrauen überhaupt serbische Pässe haben, ist der komplizierten politischen Entwicklung auf dem Balkan zuzuschreiben, die es bis heute unmöglich macht, kosovarische Pässe in Deutschland zu bekommen.)

• keine Abschiebung von Kranken mit ärztlicher Begleitung, wie sie laut amtsärztlichem Gutachten in diesem Fall zwingend notwendig wäre.

• darum weitere Duldung für die Frauen.

In einem Gespräch mit Landrat Hermann Luttmann und weiteren Vertretern des Landkreises legten diese dar, dass der Aufenthalt der beiden Frauen in Deutschland illegal sei, dass sie zur Fahndung ausgeschrieben werden und keine Sozialleistungen mehr erhalten.

Landrat und Ausländerbehörde sehen sich von der Landesregierung mit der Aufgabe konfrontiert, ca. 200 Flüchtlinge zur Ausreise zu veranlassen. Sie alle seien nur geduldet und somit zur Ausreise aufgefordert. Auch wenn der Zeitrahmen flexibel sei, sei die Liste abzuarbeiten, zur Not auch durch die zwangsweise Abschiebung. An den politischen Vorgaben könne man im Landkreis nichts ändern. Der Eilantrag der beiden Frauen auf Aussetzung der Abschiebung sei gerichtlich abgelehnt worden. Damit seien sie ausreisepflichtig, und daran habe man sich zu halten. Mit einer Verlängerung der Duldung durch den Landkreis sei nicht zu rechnen.

Allerdings eröffnete inzwischen ein weiterer Kontakt mit dem Landkreis die Perspektive, für die beiden Frauen einen Antrag bei der Härtefallkommission des Landes zu stellen und möglicher Weise auf diesem Weg eine weitere Duldung zu erlangen. Der Landrat hat mit Rücksicht auf das Kirchenasyl veranlasst, dass zunächst alle weiteren Vorbereitungen einer zwangsweisen Abschiebung ausgesetzt wurden. Damit ergibt sich eine konkrete Möglichkeit, auf dem Weg eines Härtefallantrages eine allseits akzeptable humanitäre Lösung zu finden. Bis dahin wird ein breiter Unterstützerkreis in und um die Auferstehungsgemeinde das Kirchenasyl aufrecht erhalten.

Hartmut Ladwig, Vorsitzender des Kirchenvorstandes

Werner Hagedorn, stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstandes

Eckhard Lang, Flüchtlingsberater im Diakonischen Werk

Hans-Peter Daub, Superintendent