Romaabschiebungen: Offener Brief an den Gemeinderat Freiburg

An die Fraktionen im Freiburger Gemeinderat – 28.02.2011
Junges Freiburg / Die GRÜNEN, CDU, SPD, Unabhängige Listen, FDP, Freie Wähler und Grüne Alternative Freiburg /An die Mitglieder des Freiburger Gemeinderates /Zur Kenntnis an die Kreisverbände

Sehr geehrte Damen und Herren,
das gruppenübergreifende ‚Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzungen‘ möchte alles dazu beitragen, damit keine weiteren Abschiebungen von Romni und Roma aus Freiburg stattfinden können.

Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu Abschiebungen von traumatisierten Roma. Am 9. September 2010 wurde die Romafamilie Krasnici aus der Hammerschmiedstraße in Freiburg-Littenweiler abgeschoben. Die Körpertherapeutin Gisela Endel schrieb daraufhin an das Regierungspräsidium und an die Stadt Freiburg am 16. September 2010 einen Brief, schilderte den Traumastatus der Frau und forderte mit weiteren UnterstützerInnen die Wiedereinreise der Familie.

Mitte November 2010 wurde aus der Hammenschmiedstraße in den Mittagsstunden erneut eine Familie über den Stuttgart Flughafen abgeschoben. Große Teile der Bewohner mussten hilflos zuschauen, darunter viele Kinder.

In der Hermann-Mitsch-Straße ist eine Familie aus Mazedonien untergebracht, deren Angst vor der Polizei so groß ist, dass sie nicht einmal den Mut hat, Rechtmittel gegen einen Rechtsbescheid einzulegen.

Eine ältere Frau, deren Duldung Mitte Februar 2011 nur für kurze Zeiträume verlängert wird,  musste erneut in der Zentralpsychiatrischer Einrichtung in Emmendingen behandelt werden.

Dr. med. Peter Schröder, Arzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie, der viele Roma behandelt, schreibt u.a. in einem offenen Brief am 1. Februar 2011: „Die Arbeit mit diesen PatientInnen  ist meist eine stabilisierende, soweit das unter der dauernden Gefahr einer Abschiebung möglich ist. Eine Bearbeitung der alten Traumata ist unter den gegebenen unsicheren Umständen nicht möglich. Obwohl alle diese Menschen dringend Psychotherapie brauchen und davon auch profitieren, können sie unter den Umständen nicht gesund werden.“ An anderer Stelle schreibt er weiter: „Die Duldung, die ‚Aussetzung der Abschiebung‘, wird nach nicht verständlichen Kriterien (des Regierungspräsidiums) von den örtlichen Sachbearbeitern der Ausländerbehörde mal auf 2 oder 3 oder 6 Monate, mal nur auf vier Wochen erteilt. Jede Begegnung mit dieser Behörde führt zu einer ernsthaften psychischen Krise. Es besteht immer die Gefahr, dass man diese Verlängerung der Duldung nicht bekommt. Das hieße eine schnelle Abschiebung in das Land, in dem sie traumatisiert wurden.“

Wir fordern die Mitglieder des Freiburger Gemeinderates auf,  in sämtlichen kommunalen Gremien sich engagiert gegen drohende Abschiebungen zu stellen!

Wir fordern von der Stadtverwaltung, dass keine Akten zur Abschiebung an das Regierungspräsidium Karlsruhe weiter gegeben werden!

Wir fordern die Herausgabe sämtlicher Abschiebelisten, in deren Namen und Adressen der Personen genannt sind, die polizeilich abgeschoben werden sollen oder die zur „freiwilligen Ausreise“ gezwungen werden!

Wir fordern den Freiburger Gemeinderat auf, sich in einem offenen Brief an das Land Baden-Württemberg klar gegen die weiteren Abschiebungen zu stellen!

Wir bitten um eine schnelle Antwort und um eine breite Solidarität gegen die Abschiebungen der Romni und Roma aus Freiburg.

Unterschreiben Sie den Freiburger Appell „Zusammen die Abschiebungen der Roma verhindern“.

In Zeiten des „Nationalsozialismus“ unterlagen Sinti und Roma in Deutschland und in den besetzten Staaten einer beispiellosen Verfolgung. Es begann mit Zwangssterilisation und der Internierung in Sammellagern und gipfelte in Deportation und Massenmord. Schätzungsweise 500.000 Roma und Sinti wurden durch die „Nationalsozialisten“ und mit ihnen verbündete Kollaborateure ermordet. In den Ländern des Balkans wurden sie zu Tausenden als Geiseln in Racheaktionen für tatsächliche oder unterstellte Aktivitäten der Partisanen erschossen.

Die Bundesrepublik steht nach dem Genozid während des „Nationalsozialismus“ in historischer Verantwortung gegenüber den Sinti und Roma in Europa. Dieser gerecht zu werden, entspräche im akuten Fall die vorbehaltlose Sicherstellung einer Aufenthalts- und Lebensperspektive in Deutschland.

Bleiberecht für alle Roma!

Mit freundlichen Grüßen
Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzungen