Menschenwürdiges Existenzminimum für alle – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen

Antrag Abgeordnete von DIE LINKE

(Ein kurzer Auszug der Drucksache 17/4424)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09 u.a.) das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG anerkannt, das für alle Menschen gleichermaßen gilt. Dieses Grundrecht sichert allen Hilfebedürftigen unabhängig vom Aufenthaltsstatus ein Existenzminimum zu, das nicht nur die physische Existenz, sondern auch ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben und die Möglichkeit der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen umfasst.

Das 1993 im Zuge des „Asylkompromisses“ geschaffene Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ist mit diesen verfassungsgerichtlichen Vorgaben unvereinbar. Normiert wurde ein Existenzminimum zweiter Klasse, das sich nicht nach den realen Bedürfnissen der Betroffenen richtet, sondern im Gegenteil abschreckend wirken und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verhindern soll. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/3660 bestätigt, dass die auf bloßen Schätzungen und politischen Vorgaben basierende Festsetzung der Leistungen nach dem AsylbLG nicht den Anforderungen des Urteils vom 9. Februar 2010 entspricht.

Der seit 1993 andauernde verfassungswidrige Umgang mit Schutzsuchenden muss schnellstmöglich beendet werden (vgl. Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache 17/4106). Ein besonderer gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt sich daraus, dass die – gegenüber den Sozialgesetzbüchern II und XII um etwa ein Drittel reduzierten – Leistungen nach § 3 AsylbLG trotz einer Preissteigerung seit 1993 in Höhe von 25 Prozent und trotz der vom Verfassungsgericht geforderten fortwährenden Überprüfung der Bedarfssätze niemals angehoben wurden. Nach Ansicht des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sind die Leistungen für ein menschenwürdiges  Existenzminimum offenkundig unzureichend (Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht vom 26. Juli 2010, L 20 AY 13/09).

Mit einem menschenwürdigen Umgang ebenfalls unvereinbar ist, Asylsuchenden und Personen mit unsicherem Aufenthaltsstatus eine nur eingeschränkte Gesundheitsversorgung zuteilwerden zu lassen. Ausgrenzend und diskriminierend sind auch die gesetzliche Vorgabe einer Sachleistungsversorgung und die Praxis der Zwangsunterbringung in unzureichenden Massenunterkünften. Arbeitsverbote bzw.  Beschränkungen des Arbeitsmarktzugangs und der Bewegungsfreiheit („Residenzpflicht“) ergänzen die systematische Des- Integration durch das Asylbewerberleistungsgesetz. Im Ergebnis stellen diese erheblichen Beschränkungen des Lebens von Schutzsuchenden eine  menschenrechtswidrige und rechtsstaatlich inakzeptable Politik der Abschreckung dar.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, schnellstmöglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem das Asylbewerberleistungsgesetz aufgehoben und der Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch um die bisher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Leistungsberechtigten ergänzt wird. Soweit dies zu einer finanziellen Mehrbelastung der Kommunen führt, hat der Bund diese durch eine entsprechende Beteiligung gegenüber den Ländern auszugleichen.

Berlin, den 18. Januar 2011
Dr. Gregor Gysi und Fraktion