Pressemitteilung zur Prozessverschleppung im Fall Oury Jalloh

Pressemitteilung von THE VOICE Refugee Forum und der PLATAFORMA der MigrantInnen und Flüchtlinge.

STELLUNGNAHME ANLÄSSLICH DER VERSCHIEBUNG UND VERSCHLEPPUNG
DES LANDGERICHTS MAGDEBURG IM FALL OURY JALLOH:

Nachdem das erste Gerichtsverfahren als eine Farce endete, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe den Freispruch für Andreas Schubert im vergangenen Januar aufgehoben und das Aufrollen des Prozesses in Magdeburg für diesen Oktober festgesetzt. Es ist aber jetzt klar geworden, dass diese Entscheidung bloß der Versuch war, den Druck von der Straße zu mildern, denn der Prozess wird jetzt, genau wie der erste, verschoben und verschleppt. Dies ist ein wiederholter Beweis dafür, dass das Rechtssystem Deutschland keinerlei Interesse hat, die Wahrheit aufzudecken und der Familie und den  Freunden Jallohs Gerechtigkeit zu widerfahren zu lassen.

Berlin Oktober 2010:
Das Landgericht Magdeburg teilte am 6. Oktober mit, dass der Prozess um den Tod Oury Jallohs nicht wie geplant Ende Oktober beginnen kann. Es gebe Anhaltspunkte für eine schwere körperliche Erkrankung des Angeklagten Andreas Schubert. Das Gericht hat die Untersuchung des Angeklagten durch einen Amtsarzt angeordnet. Das endgültige Ergebnis liegt noch nicht vor1. Am 12. Oktober wurde schließlich mitgeteilt, dass der Prozess auf den 12. Januar 2011 verschoben würde.2 Es ist nicht das erste Mal im Zusammenhang mit dem Prozess, dass der Angeklagte Schubert krank erklärt wurde, um den gesamten Prozess zu verzögern.3

Aus unserer Sicht hat auch das LG Magdeburg  nicht das Anliegen einer Aufklärung der Todesumstände Oury Jallohs. Wie bei dem ersten Prozess, der zwei Jahren nach dem Tod Jallohs eröffnet wurde, sind auch hier Lüge, Vertuschung und die Verhinderung von Wahrheit zu erwarten. Die Anklage gegenüber Schubert bleibt „Körperverletzung mit Todesfolge“ und wir wissen nicht, ob auch in  Richtung „Mord“ ermittelt wird. Wir sind immer noch der Überzeugung, dass unser Bruder Oury ermordet wurde. Wir sprechen dabei nicht von strukturellem Mord,  Versagen des Systems oder fahrlässiger Tötung, sondern von vorsätzlicher Tötung, in die fast alle Polizisten, die sich am 05. Januar 2005 in dem Revier in Dessau befanden, involviert sind. Das wurde möglich gemacht durch die Vertuschungen und die Lügen der Dessauer Polizei.

Auch in dem Fall von Laye Alama Condé hat das BGH am 29. April 2010 entschieden, den Fall zur Neuverhandlung an das Bremer Landgericht zu verweisen. Seitdem ist von dem Fall nichts mehr zu hören und der Beginn des Verfahrens ist unbekannt. Es ist nicht nur das Versagen des Systems, es ist eine Strategie, das deutsche Rechtssystem zum langsamen Schweigen zu bringen. „Eine verzögerte Gerechtigkeit ist eine abgelehnte Gerechtigkeit“, sagt Yufanyi Mbolo von The VOICE. Während wir für Gerechtigkeit kämpften, wurden einige Aktivisten von uns rassistisch kontrolliert, erniedrigt, verhaftet und verfolgt. Nach den Ermordungen von Oury Jalloh und Laye Condé gibt es noch immer mysteriöse Todesfälle in Zusammenhang mit dem deutschen rassistischen System und der Polizei. Polizeigewalt und besonders rassistische Polizeigewalt sind zu unserem Schicksal geworden.

Obwohl und vielleicht weil wir von dem neuen Prozess keine Gerechtigkeit erwarten, muss auch dieser Prozess von unabhängigen JuristInnen, MenschenrechtsaktivistInnen und Betroffenen kritisch beobachtet. Diese Beobachtung des Prozesses soll nicht als Legitimation der Vertuschung verstanden werden, sondern als eine Delegation zur Dokumentation des Prozesses und seiner Ergebnisse. Wir werden die beiden Fälle sehr kritisch verfolgen und fordern immer noch Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung der Familien von Oury Jalloh und Laye Alama Condé.

Die Fälle von Oury Jalloh und Laye Alama Condé sind die zwei Fälle, die ihre Gerechtigkeit im Gerichtsverfahren nicht bekommen haben, aber sie sind nur ein Teil vieler Fälle von Polizeigewalt. N’deye Mareame Sarr, Halim Dener, John Achidi, Zdravko Nikolov Dimitrov, Aamir Ageeb, Arumugasamy Subramaniam, Dominique Koumadio und viele andere sind Opfer der deutschen Polizei und ihrer rassistischen Straflosigkeit. Ihre Fälle wurden nicht einmal vor Gericht gebracht.

Fast 6 Jahren nach Oury Jallohs bestialischem Tod in Zelle Nr. 5 in Dessau sagen wir weiterhin:
Oury Jalloh – das war Mord!

und fordern:

Break the Silence! Wahrheit! Gerechtigkeit! Entschädigung!

Weitere Aktionen:
Datum: 18. Dezember 2010. Diskussion und Workshop mit AktivistInnen von The VOICE Refugee Forum / Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen über weitere Strategien des Widerstands und Kampfes gegen rassistische Polizeigewalt.
Ort: Friedrich-Schiller-Universität Jena
Zeit: 13 Uhr.

Für mehr Information stehen wir selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.
Yufanyi Mbolo: +49-(0)170-8788124
oder www.thevoiceforum.org