Newsletter Flüchtlingsrat Baden-Württemberg

Liebe Mitglieder und Interessierte,
noch laufen die Koalitionsverhandlungen der drei zukünftigen Regierungsparteien. Pro Asyl hat deshalb eine E-Mail-Aktion gestartet, mit der CDU, CSU und FDP aufgefordert werden, Flüchtlingsrechte im Koalitionsvertrag zu verankern.
Natürlich möchten wir Sie außerdem noch einmal an unsere Tagung mit Plenum am 7. November in Stuttgart erinnern, zu der Sie sich bereits anmelden können. Das Programm finden Sie als pdf-Dateianhang.

Die Themen in diesem Newsletter:

1. Pro Asyl E-Mail-Aktion: „Schutzschirm für Flüchtlingsrechte“

Fordern Sie die zukünftigen Regierungsparteien dazu auf, die Flüchtlingsrechte im Koalitionsvertrag zu verankern.

2. Ausreisepflichtige Roma aus dem Kosovo sind von Abschiebung bedroht!

Auch aus Baden-Württemberg wurden bereits ausreisepflichtige Roma aus dem Kosovo abgeschoben! Ragini Wahl, Arbeitskreis Asyl Nürtingen beschreibt, wie sich Roma, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, angesichts des Rücknahmeübereinkommens zwischen Deutschland und Kosovo, fühlen.

3. Dublin-Vefahren – Überstellung nach Griechenland durch das BVerfG ausgesetzt

Erneut hat das Bundesverfassungsgericht eine drohende Überstellung eines Flüchtlings nach Griechenland ausgesetzt.

4. Deutschland bei positiven Asylentscheidungen nur im Mittelfeld

Das hat der Jesuiten-Flüchtlingsdienst nach Auswertung von Zahlen des Europäischen Statistikamtes festgestellt

5. Informationen für Flüchtlinge über das Dublin-Verfahren

in verschiedenen Sprachen gibt es auf der Website der KollegInnen des Flüchtlingsrates Nordrhein-Westfalen

Mit herzlichem Gruß
Ihr Reiner Klass

1. Pro Asyl-Aktion: Schutzschirm für Flüchtlingsrechte

Unterschriftenaktion: Für die Verankerung der Flüchtlingsrechte im Koalitionsvertrag

Pro Asyl will mit seiner aktuellen E-Mail-Aktion Druck auf die zukünftigen Regierungsparteien machen: CDU, CSU und FDP müssen jetzt zeigen, dass sie bereit sind, die Situation von Flüchtlingen zu verbessern. Mit Ihrer Unterschrift sollen die Koalitionsparteien zum Handeln bewegt werden.

Bleiberecht jetzt: Über 60.000 Menschen leben seit mehr als sechs Jahren nur geduldet in Deutschland – immer in Angst vor der Abschiebung. Weitere 30.000 haben nur ein Bleiberecht auf Probe. Ihnen droht Ende 2009 der Rückfall in die Duldung. Die neue Bundesregierung muss handeln. Pro Asyl appelliert: Wer lange hier lebt, muss bleiben dürfen!

Europa muss Flüchtlinge schützen: Tausende Flüchtlinge sterben an Europas Grenzen, werden völkerrechtswidrig zurückgewiesen oder unmenschlich inhaftiert. Deutschland schiebt die Verantwortung an die Außenstaaten der EU ab. Pro Asyl fordert: Mehr Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme unter den EU-Staaten, mehr Humanität gegenüber Schutzsuchenden. Völkerrechtliche Schutzstandards müssen eingehalten werden.

Jetzt sind Sie am Zug! Engagieren auch Sie sich zusammen mit PRO ASYL und unterstützen Sie die E-Mail-Aktion „Jetzt (ver-) handeln: Schutzschirm für Flüchtlingsrechte!“ Bis jetzt haben knapp 4.000 Menschen die Forderungen unterzeichnet. Fordern auch Sie eine menschenrechtskonforme Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa!

Zur E-Mail-Aktion „Jetzt (ver-) handeln: Schutzschirm für Flüchtlingsrechte!“ – eMail Aktion schon abgeschlossen!

2. Ausreisepflichtige Roma aus dem Kosovo sind von Abschiebung bedroht!

Auch Baden-Württemberg schiebt seit dem Sommer immer wieder auch Roma ab, seit sich die Regierung des Kosovo bereiterklärt hat, grundsätzlich alle Flüchtlinge zurückzunehmen. Im Juni 2009 hielten sich in Baden-Württemberg noch rund 1.200 geduldete Roma aus dem Kosovo auf (vgl. Stellungnahme des IM zum Abgeordnetenantrag der SPD „Rückkehr von Angehörigen der Roma in den Kosovo“ (Drucksache 14/4839). Das heißt: Auch ausreisepflichtige Flüchtlinge aus dem Kosovo sind jetzt akut abschiebegefährdet! Abschiebungen von Roma sind bereits erfolgt! Im Einzelfall sollte überlegt werden, wie gegen eine drohende Abschiebung vorgegangen werden kann und ein/e im Asylrecht erfahrene/r Anwalt/Anwältin hinzugezogen werden!

Ragini Wahl, Arbeitskreis Asyl Nürtingen beschreibt anlässlich des Tags des Flüchtlings am 2.10.2009, wie sich Roma, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, angesichts des Rücknahmeübereinkommens zwischen Deutschland und Kosovo, fühlen:

„Vor gut zehn Jahren endete der blutige Krieg im Kosovo, durch den viele Menschen, besonders die Angehörigen von Minderheiten wie Roma, Ashkali und Ägypter, verfolgt wurden, ihr Hab und Gut verloren und fliehen mussten. Etwa 53.000 Roma fanden in Deutschland vorübergehend Schutz. Inzwischen leben nach Schätzungen von Amnesty International noch 23.000 Roma in Deutschland, überwiegend mit einer Duldung oder einer befristeten Aufenthaltserlaubnis auf Probe.

Bisher hatte die Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen im Kosovo (UMNIK) verhindert, dass Roma in den Kosovo abgeschoben wurden. Denn sie erkannte, dass die Fluchtursachen für diese Gruppe nach wie vor nicht beseitigt sind.

Die Regierung des im Februar 2009 gegründeten Staates Kosovo sieht das aus politischen Gründen anders und ist bereit, alle Flüchtlinge wieder aufzunehmen. Das Bundesamt für Migration in Nürnberg hat deshalb ebenfalls im Februar 2009 ein „Rückkehrförderangebot“ für Roma aus dem Kosovo beschlossen. Neben Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen finanziert Baden-Württemberg dieses „Angebot zur freiwilligen Ausreise“ mit. Bei Ablehnung droht die Abschiebung. Und dies, obwohl Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International noch immer von Diskriminierungen und institutionalisierter Gewalt gegen die Roma im Kosovo berichten.

„Roma leben sehr häufig in extremer Armut und meist getrennt von der übrigen Bevölkerung. Sie haben fast keinen Zugang zu Bildung, zum regulären Arbeitsmarkt und zum Gesundheitswesen. Wenn sie Arbeit finden, sind das schlecht bezahlte Gelegenheitsarbeiten, ihre Wohnungen sind nicht isoliert. Den meisten fehlt das Geld für notwendiges Heizmaterial. Im Kosovo herrscht Kontinentalklima und die Winter sind sehr kalt,“ beschreibt Michaela Saliari das Leben der Roma im Kosovo.

Saliari kennt die Situation der Roma sowohl in in Nürtingen als auch im Kosovo. Sie arbeitet in der Gruppe Karibuni mit, die auf Initiative des Arbeitskreises Asyl und des Arbeitskreises Leben (AKL) in Nürtingen entstanden ist, um traumatisierte Flüchtlinge ehrenamtlich im Alltag zu unterstützen. Seit mehreren Jahren begleitet sie Roma-Familien im Landkreis Esslingen. Mit der Situation der Roma, den Fluchthintergründen und den Perspektiven im Heimatland hat sich Saliari intensiv auseinander gesetzt. Besorgt verfolgt sie die Häufung von Ausschreitungen gegen Roma. „Nicht nur im Kosovo, sondern im ganzen Osten Europas kommt es zum Aufleben einer ausgesprochen gewalttätigen Form des Antiziganismus, sogar in Italien und Frankreich!“ stellt sie fest und wünscht sich, dass die Öffentlichkeit sich mehr mit dieser Form des Rassismus auseinandersetzt.

In Anbetracht dieser Entwicklung versteht sie nicht, dass Deutschland mit Kosovo über ein Rückübernahmeabkommen verhandelt. Seit April sind auf Anweisung des Innenministeriums die Länder aufgefordert, ausreisepflichtigen Personen das „Rückkehrförderangebot“ in den Kosovo zu unterbreiten. Es gilt bis 31. Dezember 2009, und zwar für alle Menschen mit Duldung, bei denen die kosovarische Herkunft vermutet wird.

Nach Information des AWO-Sozialdienstes für Flüchtlinge haben im Landkreis Esslingen bereits vier Roma-Familien mit Duldung eine Ausreiseaufforderung bekommen. Sie haben nun etwas über zwei Wochen Bedenkzeit, um der Ausreise zuzustimmen oder Zwangsmaßnahmen wie eine Abschiebung in Kauf zu nehmen.

„Jahrelang hat mich die Abschiebung verfolgt,“ sagt E., ein zwanzigjähriger Rom aus der Nähe von Nürtingen. Vor 18 Jahren ist er durch die Flucht seiner Eltern aus dem Kosovo nach Deutschland gekommen. Nach jahrelanger Duldung hat er als einziger der Familie 2007 mit der neuen Bleiberechtsregelung eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe bekommen. Sie läuft zum Jahresende aus und wird nur dann verlängert, wenn er seinen Lebensunterhalt selbst verdient. „Ich muss was tun, dass ich hier bleibe,“ weiß E. Das ist nicht einfach. Zwar konnte er dank der Duldung die Schule besuchen, aber sich nicht richtig darauf konzentrieren. „Die sagten immer, ihr müsst sowieso bald wieder gehen.“ Außerdem konnte die Berufsberatung wegen seines unsicheren Aufenthaltsstatus nichts für ihn tun. Mit der Aufenthaltserlaubnis änderte sich das. Inzwischen hat er eine Ausbildungsstelle in Aussicht und ist fest entschlossen, die Ausbildung abzuschließen und hier zu bleiben. „Ich bin hier aufgewachsen, weiß, was Schnitzel und Pommes ist, fühle wie ein Deutscher und komme rüber wie ein Ausländer. Ich will passen, will dazu passen.“

Dass die Roma aufgefordert werden auszureisen, dass wieder Abschiebungen angedroht werden, macht ihm sichtbar Angst.

Warum die Roma, die bereits über Jahre in Deutschland leben, wieder zurück in ein Land sollen, aus dem sie aus ethnischen Gründen vertrieben wurden und heute noch Menschen aus Angst vor Übergriffen oder wegen ihrer hoffnungslosen Lage flüchten, das versteht auch Michaela Saliari von der Gruppe Karibuni nicht. Sie ist nicht allein. Die Ansicht, dass Roma im Kosovo nicht mehr verfolgt oder diskriminiert seien, teilen weder anerkannte Menschenrechtsorganisationen noch alle Parteien. So hat die SPD Baden-Württemberg erst im Juli einen Antrag an den Landtag gestellt, die Situation der Roma nach ihrer Rückreise im Kosovo zu überprüfen.

Damit solche Initiativen für die Roma nicht zu spät kommen, fordert der Arbeitskreis Asyl Nürtingen, dass die Landesregierung die warnenden Stimmen der Menschenrechts- und Hilfsorganisationen ernst nimmt und entsprechend verantwortungsbewusst handelt.“

3. Dublin-Vefahren – Überstellung nach Griechenland durch das BVerfG ausgesetzt

Das Bundesverfassungsgericht hat erneut eine drohende Überstellung nach Griechenland vorläufig ausgesetzt. Siehe hierzu auch die Entscheidungen vom 8.09.09 und 23.09.09.

Zum BVerfG, Beschluss v. 9.10.2009

(Quelle: Flüchtlingsrat NRW)

4. Deutschland bei positiven Asylentscheidungen nur im Mittelfeld

Ende September hat das Europäische Statistikamt Eurostat Zahlen über Asylanträge und Schutzgewährung in verschiedenen europäischen Staaten für das zweite Quartal 2009 veröffentlicht. Hiernach liegt Deutschland beim Anteil der positiven Entscheidungen über einen Schutzantrag (sei es eine Flüchtlingsanerkennung, sei es die Zuerkennung des subsidiären Schutzes oder die Gewährung eines humanitären Aufenthaltes) an der Gesamtzahl aller Entscheidungen gerade einmal im Mittelfeld. Der Schutzanteil ist in Malta, Österreich oder Polen besondes hoch, während er in Griechenland erschreckend niedrig bleibt. Schutzgewährung bleibt in Europa ein Lotteriespiel.(Quelle: Jesuiten Flüchtlingsdienst)

5. Informationen für Flüchtlinge über das Dublin-Verfahren

in verschiedenen Sprachen gibt es auf der Website der KollegInnen des Flüchtlingsrates Nordrhein-Westfalen.

Dublin-Flyer: Welcome to Europe

Dublin-Flyer, welcome to europe (arabic)


Dublin-Flyer: Welcome to Europe (farsi)