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Station 9 – Landeserstaufnahmestelle

LEA_01  Eine Kritik

  Stellungnahme von Aktion Bleiberecht

 

 

 

LANDESERSTAUFNAHMESTELLE IN FREIBURG 

Die zentralen Anlaufstellen sind das Ergebnis einer langjährigen baden-württembergischen Asylpolitik, die auch als „Abschreckungspolitik“ bezeichnet werden kann. Auf Initiative der Landesregierung wurden ab dem 1. Juli 1992 in allen Bundesländern Erstaufnahmeeinrichtungen geschaffen, die zur Beschleunigung der Asylverfahren, zu schnelleren Abschiebungen und zur Ausgrenzung von Geflüchteten beitragen. An der Funktion dieser Einrichtungen (Zentralstelle, Steuerung, Kontrolle, Überwachung, Erkennungsdienstliche Behandlung, Erstanhörung, schnelle und verkürzte Verfahren, Abschiebungen, Verteilerstation etc.) hat sich bis heute nichts verändert.

Die Landeserstaufnahmestelle (LEA) ist eine staatliche Institution, in der Geflüchtete „öffentlich rechtlich untergebracht“ und ihnen nur eingeschränkte Rechte gewährt bzw. Rechte verweigert werden. Die Betroffenen erhalten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ausschließlich Sozialhilfe in Form von Sachleistungen (z.B. Kantinenessen) und ein sogenanntes Taschengeld. Ohne Geld ist es jedoch für die Betroffenen nicht möglich eine qualifizierte Rechtsberatung im Rahmen ihres Asylverfahrens in Anspruch zu nehmen. Es wird zudem nur eine minimalmedizinische Versorgung gewährleistet.

Für Geflüchtete in der LEA wird die Residenzpflicht nicht gelockert, ihr Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt. Ein Antragsteller ist verpflichtet, bis zu 3 Monate in der LEA zu bleiben, auch wenn er / sie eine andere Wohnmöglichkeit hätte. Einige der Betroffenen leben jahrelang unter ausgrenzenden Bedingungen in einer Anschlussunterkunft und warten dort den Ausgang ihres Verfahrens ab. Die LEA ist Teil des dreistufigen Unterbringungssystems in Baden-Württemberg: Erstaufnahmeeinrichtung, Sammelunterkunft, Wohnung. Auch heute noch findet in den ersten beiden Stufen der Unterbringung eine Kasernierung, d.h. die Unterbringung vieler Menschen auf kleinem Raum, statt, auch wenn die zugestanden Quadratmeter von 4,5 auf 7 m² erhöht wurden. Mit wem ein Asylbewerber in einem Zimmer leben muss, bestimmt die Verwaltung. Eine Privat- und Intimsphäre ist somit kaum gegeben. Es gibt keine Mindeststandards für die Unterbringung von Geflüchteten.

2014 erreichen die Zahlen der Geflüchteten weltweit den höchsten Stand seit dem Ende des 2. Weltkrieges, sie liegen laut UNHCR (20.06.2014) bei ca. 51 Millionen. Von diesen Menschen erreichen nur wenige die Bundesrepublik Deutschland. Dennoch ist auch in der BRD die Zahl der gestellten Asylanträge für das Jahr 2014 bereits doppelt so hoch wie im gesamten Jahr 2012 – sie liegt bei ca.158.000 Anträgen (Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge; Stand Oktober 2014). Somit wird auf politischer Ebene der Ruf nach weiteren Landeserstaufnahmestellen lauter. Unter anderem hier in Freiburg soll im Jahr 2016 eine solche LEA entstehen. Die Stadt Freiburg würde von der LEA profitieren, so der Grüne Oberbürgermeister Salomon, denn das Land trägt die Kosten und die Stadt werde „von der Pflicht befreit, weitere Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen“. Doch das System der zentralen Anlaufstellen wird den Geflüchteten nicht gerecht. Die LEA dient mehr dem Staat als den Menschen, die hier Schutz suchen. Ein menschenwürdiges Leben in einer LEA oder einer Sammelunterkunft ist unter den jetzigen Bedingungen kaum möglich. PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Länder fordern daher, dass „die Unterbringung in Wohnungen zum Ziel der Aufnahmepolitik wird. Die Lagerpflicht gehört in allen Bundesländern abgeschafft.“